„Nicht mit der Kraft der Muskeln, mit der des Geistes“

■ Befürworter des Palastes der Republik diskutierten einstimmig über Erhalt

Mitte. „Nicht mit der Kraft der Muskeln, sondern mit der Kraft des Geistes“ will Heinz Graffunder, Chefarchitekt des Palastes der Republik, die Entscheidung der „Gemeinsamen Kommission Bonn-Berlin“, den „Palazzo Prozzo“ abzureißen, beeinflussen. Aus diesem Grund kamen rund 250 BerlinerInnen zu einer Diskussionsveranstaltung im Berolinahaus am Alex, zu der die PDS am Dienstag abend aufgerufen hatte.

Nach Graffunders Plädoyer gegen den Abriß, das er mit einer Kostenersparnis von einer Milliarde Mark Differenz zwischen Sanierung und Abriß untermauerte, war der Weg frei für eine hitzige Diskussion. Hitzig jedoch nicht, weil hier konträre Meinungen ausgetragen wurden, sondern weil sich erboste BerlinerInnen Luft zu schaffen suchten über ihre Wut, die die Abriß-Entscheidung der Kommission aufgestaut hatte. „Purer Revanchismus“ sei der eigentliche Grund, in Bonn könne man nicht ertragen, solch ein Denkmal der ehemaligen DDR stehenzulassen, so ein Westberliner Student. Günter Bischoff, 17 Jahre lang Direktor der „Hütte des Volkes“, sieht sich und seine Mitbürger gar ihrer Identität beraubt: „Über 1.000 Veranstaltungen im Jahr haben nicht nur Millionen von Ostbürgern besucht“, auch viele Westberliner hätten das kulturelle Angebot noch zu DDR-Zeiten geschätzt.

Daß viele von den ehemaligen Ostlern den Palast gar nicht gewollt hätten, versuchte ein Redner zu relativieren. Unter Schmährufen mußte er jedoch zugeben, daß es unsinnig sei, den mit „unseren Steuergeldern“ erbauten Prunkbau mit „unseren Steuergeldern“ wieder abzureißen. Nicht zur Diskussion stand allerdings, daß der asbestverseuchte Bau auf jeden Fall zu sanieren ist. Auch eine Modernisierung und ästhetische Umgestaltung wurden nicht in Frage gestellt. Mit anderen Worten: Es geht um die Erhaltung des Rohbaus, die „Beibehaltung der Kubatur“, so das Arbeitspapier der „Spreeinsel-Initiative“, die sich vor zwei Wochen nach einer Demo zum Erhalt des Palastes gegründet hatte. Ein Neubau und der damit verbundene Abriß wird also abgelehnt, um die „Kubatur“ zu erhalten. Wichtiger allerdings scheint die Forderung nach einer öffentlichen Nutzung des entstehenden Auswärtigen Amtes auf der Fläche des Palastes. Hier wird an eine Einrichtung von „front- und back-offices“ zur „Gewinnung stadträumlicher Handlungsmöglichkeiten“ gedacht. Die „Spreeinsel-Initiative“, die sich auch für eine alternative Gestaltung der Spreeinsel – unter anderem der Einbeziehung von Restaurants, Galerien und einer Bibliothek – innerhalb der zukünftigen Ministerienlandschaft einsetzt, hat ein umfassendes Aktionsprogramm ausgearbeitet. So sollen Protestveranstaltungen und Diskussionsrunden stattfinden, die Bildung von Arbeitsgruppen und gar die Einrichtung einer Geschäftsstelle zur Koordinierung der Aktionen vorangetrieben werden. Ursprünglich war eine Osterhasen-Klebe-Aktion am Palast geplant. Wegen des zu erwartenden Besucherzustroms zum Osterfest auf dem Alexanderplatz wurde die Idee jedoch fallengelassen, um nicht im Gedränge übersehen zu werden. jwe