Kaum Neubau im Osten

■ Bausenator Nagel bilanziert "mit gemischten Gefühlen" den Wohnungsbau 1992 / Kaum Steigerung gegenüber 1991

Berlin. Nach vier Jahren Amtszeit sieht Bausenator Wolfgang Nagel dem Wohnungsneubau der Zukunft mit „gemischten“ Gefühlen entgegen. Sein Wohnungsbauprogramm bis 1995, 80.000 bis 100.000 neue Wohnungen zu schaffen, ist bis dato nur zu gut einem Drittel erfüllt. Auch bei den Bewilligungen für Bauvorhaben wurden 1992 kaum mehr Wohnungen gefördert als 1991. Eine Steigerung auf anvisierte 14.000 Förderungen „konnte nicht erzielt werden“, sagte Nagel gestern bei der Bilanzierung des Wohnungsbauprogramms 1992.

Nagel kommentierte die Zahlen mit trotzigem Optimismus: „Um das Wohnungsbauprogramm zu erfüllen, müssen sich alle Beteiligten am Riemen reißen.“ Er appellierte an die privaten Bauherren und die Wohnungsbaugesellschaften, „noch zügiger als bisher Wohnungsbauprojekte voranzutreiben“. Dann könne man mit „Perspektiven“ nach vorn schauen. Der Bausenator: „Wir sind auf gutem Wege, aber noch nicht über den Berg.“

Im einzelnen sind im vergangenen Jahr in Berlin 10.852 Wohnungen fertiggestellt worden. Das bedeutet eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um lediglich 1,3 Prozent. Der Westteil der Stadt, erklärte Nagel, verbuchte dabei den Löwenanteil, nämlich 8.708 Wohnungen. Im Ostteil Berlins wurden nur 2.140 Wohnungen gebaut – davon ganze 229 im nicht komplexen Wohnungsbau. Für die Zukunft, versicherte Nagel, sei eine „Verschiebung von West nach Ost angepeilt“.

1992 wurden insgesamt 10.976 Wohnungen genehmigt, sagte Nagel. Zum Vergleich: 1991 waren es noch 11.208 Wohnungen. Die bauaufsichtlich genehmigten Wohnungen in Ostberlin erreichten mit 2.075 Wohneinheiten ein wesentlich besseres Ergebnis als 1991. Im Vorjahr waren es nur 329 Wohnungen gewesen. Im Ausbau von Dachböden, lange Zeit das Lieblingskind des Bausenators, zeigt die Tendenz weiter nach unten. 1992, erinnerte Nagel, wurden nur noch 464 Baugenehmigungen erteilt.

Skandalös, angesichts der Wohnungsnot und der steigenden Mieten, sind die geringe Zahl von Neubauten und deren exorbitante Baukosten im „ersten Förderungsweg“ – dem sozialen Wohnungsbauprogramm: 1992 wurden ganze 4.971 Wohnungen für die unteren Einkommensgruppen gefördert. Das sind 1.048 Wohnungen weniger als 1991. Das Programmziel wäre voll erreicht worden, „wenn nicht der zweite Förderungsweg sich im Laufe des Jahres zum Renner entwicklet hätte“, betonte Nagel. Allein bei den Häuslebauern konnte Nagel Erfolge verbuchen. Ihr Anteil steigerte sich um 23 Prozent. Rolf Lautenschläger