Türkei verstärkt Truppen an Armeniens Grenze

■ Türkischer UN-Botschafter schließt Militäraktion nicht aus / Regierungssprecher: Wir prüfen „alle Möglichkeiten“ / Aserbaidschan verlangt KSZE-Dringlichkeitssitzung

Ankara/New York/Wien (AFP/ dpa) – Der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan droht sich auszuweiten. Nach Presseberichten von gestern verstärkte die Türkei an der Grenze zu Armenien ihre Truppen, um jeder „möglichen Bedrohung“ von armenischer Seite begegnen zu können. Nach den Worten ihres UN-Botschafters in New York, Mustafa Aksin, ist die Türkei bereit zu „handeln“, falls Armenien seine Offensive gegen Aserbaidschan nicht einstellen sollte. Er schloß eine militärische Aktion nicht aus. Die Armenier müßten sich umgehend aus dem aserbaidschanischen Territorium zurückziehen.

Ein Regierungssprecher in Ankara bezeichnete die Erklärung des UN-Sicherheitsrates zum Kaukasus-Konflikt als „nicht ausreichend“. Das Gremium hatte die Konfliktparteien auf einer von Aserbaidschan geforderten Sondersitzung am Dienstag abend zu einem sofortigen Waffenstillstand aufgefordert, Armenien aber nicht ausdrücklich für die Invasion in Aserbaidschan verurteilt. Armenische Einheiten halten türkischen Angaben zufolge seit vergangener Woche zehn Prozent des aserbaidschanischen Territoriums besetzt. Die Türkei prüfe im Hinblick auf die Entwicklung des Kaukasus- Konflikts „alle Möglichkeiten“, sagte der Sprecher des türkischen Außenministeriums, Ferhat Ataman, gestern in Ankara. Er wollte eine mögliche militärische Intervention weder bestätigen noch ausschließen.

Der türkische Präsident Turgut Özal, der sich derzeit auf einer Rundreise durch Zentralasien befindet, will die Verstärkung der Truppen an der armenischen Grenze als Drohung verstanden wissen. „Alle Welt soll wissen, wie weit die Türkei zu gehen bereit ist“, sagte er gestern bei seiner Ankunft im kirgisischen Bischkek dem türkischen Staatsfunk. Gespräche brächten den Armeniern nur Zeitgewinn.

Generalstabschef Dogan Güres bestätigte gegenüber türkischen Zeitungen, daß die Armee angesichts der Spannungen im Kaukasus „für alle erdenklichen Fälle Vorkehrungen“ treffe. Ein militärisches Eingreifen schloß er aber zunächst aus. Der Konflikt im Kaukasus erfordere eine „internationale Lösung“ und müsse auf „diplomatischem Weg“ beigelegt werden.

Die Regierung Aserbaidschans hat sich wegen der Kämpfe um die Enklave Nagorny Karabach an die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) gewandt und den „Dringlichkeitsmechanismus“ in Gang gesetzt. Der Ausschuß Hoher Beamter in Wien wird sich „in nächster Zeit“ mit dem Konflikt befassen.