Tomsk: wahrscheinlich Plutonium ausgetreten

■ Tankexplosion „typischer Wiederaufbereitungs-Fehler"

Bei der Tankexplosion in der russischen Wiederaufarbeitungsanlage nahe der sibirischen Stadt Tomsk ist wahrscheinlich doch Plutonium freigesetzt worden. Diese Ansicht vertreten die beiden Physikprofessoren Dieter von Ehrenstein und Jens Scheer von der Universität Bremen. Die Experten erklärten auf Anfrage der taz, daß bei der Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen, die militärisch genutzt werden sollen, ein Restanteil Plutonium auch nach der Abscheidung von Uran und Plutonium im Atomabfall übrig bleibe.

Plutonium sei jetzt nur noch schwer nachweisbar, erklärte Dieter von Ehrenstein. Er geht davon aus, daß die Brennelemente, die in der Nähe von Tomsk wiederaufgearbeitet werden sollen, nur einen geringen Abbrand haben, „weil nur so das Plutonium noch für Atomwaffen tauglich ist“. Von Ehrenstein forderte die Russen auf, unverzüglich Auskunft über den Prozentanteil des Plutoniums an dem Gemenge zu geben, das sich im Tank befunden hat. Als mögliche Unfallursache wollte von Ehrenstein eine „Kritikalität des Plutoniums nicht ausschließen“. Möglicherweise sei das Gift im Tank in so hoher Konzentration gelagert worden, daß es zu einer Reaktion gekommen sei.

Nach bislang vorliegenden Informationen war in dem explodierten Tank ein Abfallgemenge aus abgebrannten Brennelementen gelagert, denen Uran und Plutonium bereits entzogen worden sein soll. Vom russischen Energieministerium war bislang der Austritt von Plutonium abgestritten worden. Nach Angaben von Greenpeace hat der Vorsitzende des Notstandskomittees der russischen Föderation, Shoigu, jedoch den Austritt von Plutonium bestätigt. Davon geht auch Jens Scheer aus: „Eine Abscheidung des gesamten Uran- und Plutoniumanteils ist auch in westlichen Anlagen nicht möglich.“ Seine Vermutung über die Katastrpophen-Ursache: Die abgebrannten Brennelemente werden im ersten Arbeitgang der Wiederaufarbeitung in Salpetersäure und Wasser aufgelöst. Nach der Trennung von Uran und Plutonium seien durch die Strahlung Wasserstoff und Sauerstoff des Wassers zersetzt worden, worauf die Gase in einer Knallgasreaktion explodiert seien. Scheer: „Selbst, wenn kein Plutonium drin gewesen sein sollte, sind die Folgen für die Region katastrophal.“ Da es keinen Brand gegeben habe, sei die atomare Wolke aber nicht so hoch gestiegen, daß man geographisch weitreichende Folgen einkalkulieren müsse, die örtliche Konzentration jedoch umso höher. Beide Wissenschaftler gaben wegen der wenigen Informationen aus Rußland ihre Erklärungen unter Vorbehalt ab. mad