: SPenDen-Praxis der Stadtwerke
■ Die Partei ist überall: SPD-nah spenden ist viel mehr, als bloß in die Parteikasse zu zahlen
Am Mittwoch beginnen die öffentlichen Anhörungen des Untersuchungsaussschusses Stadtwerke, gleich zu Beginn mit Vorstandschef Günther Czichon als Zeuge. Der parlamentarisch eingesetzte Ausschuß soll und will Licht in verschiedene Themengruppen bringen: Es geht um die „Billigstrom-Affaire“, also um allerlei Tarifvergünstigungen für Politiker; um Geschenke und Bewirtungen für verdiente Aufsichtsrats-Mitglieder; schließlich auch um die Spendenpraxis der Bremer Stadtwerke. Zum Thema „Bewirtungen und Geschenke“ an Politiker hat die taz am 27.3. eine Sonderseite mit Dokumenten und Aufstellungen veröffentlicht. Heute geht es um das Thema Spenden.
Wie andere Firmen auch geben die Bremer Stadtwerke einige hunderttausend Mark im Jahr (s. Kasten S. 33) für Spenden aus; bedacht wird eine breite Palette an Projekten, Institutionen, Initiativen, die „wegen Förderung der Wissenschaft, Erziehung, Volks- und Berufsbildung, Jugendpflege, Jugendfürsorge u. ä. als gemeinnützigen, wissenschaftlichen oder mildtätigen Zwecken dienend anerkannt sind“, schreibt jährlich treu die Treuhandgesellschaft „Fides“ in ihre Prüfungsberichte.
In vielen Fällen stimmt das auch. Aber unübersehbar, geradezu grotesk deutlich ist bei der Spendenvergabe-Praxis der Stadtwerke ihre Nähe zur SPD. Damit sind hier nicht einmal die direkten Zuwendungen an die SPD-Landes- und Bundesorganisation gemeint, die inzwischen von den Stadtwerken selbst als „Fehler“ eingeräumt und abgestellt wurden (an andere Parteien wurde sowieso nicht gespendet). Ob sich der Verdacht ausräumen oder erhärten läßt, die Stadtwerke hätten mit Spenden einen Kredit zurückgezahlt, den die Landes-SPD von der Bonner Schwester bekommen hat, wird geklärt werden.
SPD-nah spenden heißt viel mehr, als in die Parteikasse einzuzahlen: Genossinnen und Genossen schreiben und schreiben und schreiben an die Bremer Stadtwerke und wollen immer dasselbe und bekommen Spenden, für eigene Projekte oder die von anderen. Und: Politische Mandatsträger scheuen sich nicht, direkt den Spendenfluß zu beinflussen.
Behörden danken
Bremer Behörden, eigentlich nicht eingerichtet, um mildtätigen Zwecken zu dienen, lassen sich serienweise von den Stadtwerken sponsern. Die Frauen-Gleichstellungsstelle von Frau Kerstein (SPD) bekam zusätzlich zu ihren Haushaltsmitteln Zuschüsse für Ausstellungen („Das Kopftuch“ und „Bilder zu Frauenbewegung“). Für seine Landeszentrale für politische Bildung bekam Herbert Wulfekuhl (SPD) Bares. Das Landesamt für Denkmalschutz durfte mit Stadtwerke-Geld ein Oberneulander Heckenrondell bewässern. In der Kulturbehörde bekam Dieter Opper (SPD) („Mit Dank... Dein Dieter Opper“) Geld, um die Bremer Literaturpreise zu dokumentieren. Der Landessportbund stattete mit Stadtwerke-Geld seine Sportgemeinschaft Oslebshausen aus.
Viel, sehr viel floß in die „Schätze aus dem Kreml“-Ausstellung des Überseemuseums, wofür sich die damalige Museumsleiterin brav bedankte; um Spenden nachgesucht hatte dazu Staatsrat Hoffmann (SPD) mit dem Hinweis auf gewisse „Finanzierungslücken“. Abteilungsleiter Manske (SPD) aus der Kulturbehörde ließ sich eine Dokumentation für Kunst im öffentlichen Raum bezuschussen. Frau Lills (SPD) Integrationsstelle bekam 2.000 Mark und nach einigem Zögern noch mal 1.000 Mark für das Theaterfest „Wir“. Herr Manskes Städtische Galerie kassierte 4.000 Mark in der „Einrichtungsphase“. Aus dem Bürgerhaus Weserterrassen baten die Vereinsvorsitzende Werner und der Hausleiter Baginski ungeniert familiär den „lieben Günther“ (gemeint ist Vorstandschef Czichon) um Geld. Für ihre Nutzer-Analyse kassierte die Stadtbibliothek einen Zuschuß. Nur am Rande sei erwähnt, daß Vorstandchef Czichon, ehemals SPD-Senator für Bundesangelegenheiten, auch für seine NachfolgerInnen Kahrs, Rüdiger, Beckmeyer in Bonn immer Bares hatte, wenn sie die Bremer Landesvetretung repräsentativ mit Kunst oder Musikveranstaltungen schmücken wollten: Das war ja gewissermaßen für das eigene Haus.
Auch SPD-nahe Trägervereine und Insitutionen werden von den Stadtwerke regelmäßig bedacht, hilfreich ist auch der Titel „Senator a. D.“.
GenossInnen und
(Ex-)Funktionäre
danken
10.000 Mark bekam — unter anderem — die Awo für's Spielmobil, auch mal einen Tausender für einen Geschirrspüler der Awo Findorff. Der DGB kassierte 12.000 Mark für sein „Mahl der Arbeit“. Vieles wirkt für Uneingeweihte durchaus unverfilzt — und sowieso ehrenwert. Daß die regelmäßig reich bedachte „Deutsch- Polnische Gesellschaft“ ein Kind des Ex-Bürgermeisters und Ex- Aufsichtsratsvorsitzenden Koschnick ist, ist noch relativ breit bekannt. 8.000 Mark bekam sie jährlich, würde erst jüngst heruntergekürzt auf immerhin 4.000 jährlich. Begründung der Stadtwerke: Man wolle sich bei der Flut der Spendenbitten mehr energiewirtschaftlichen Schwerpunkten zuwenden.
Das ist allerdings nicht zu erkennen. Mindestens so wie der Spendenzweck scheinen Name oder Amt des Antragstellers zu ziehen. Mit welchen Namen schmückt sich spendenwirksam die 'Gesellschaft der Freunde des Sahrauischen Volkes'? Brückner, Hilliges, Scherf, Waltemathe (alle SPD) sitzen u. a. im Beirat. Und wer steht den Internationalen Naturfreunden vor, die gar ein 'Kooperationsabkommen' mit den Stadtwerken haben? Ex-Senator und Ex-SPD- Parteichef Brückner. Für amnesty international steht Luise Scherf auf dem Überweisungsträger. Unschlagbar SPD-verankert die mit Zuschuß geförderte „Gesellschaft der Schnoorfreunde“: mit Ex- Staatsrat und Gewoba-Chef Kulenkampff, der Bau-Senator a. D. Seifriz und mit Manfred von Scheven, Koschnicks früherem Pressesprecher. Oder die Deutsch-Sowjetische Gesellschaft, regelmäßig in der Spendenliste, vom Senator a. D. und neuem SPD-Parteichef Kunick. Gesponsert wurde auch der SPD-nahe Verein Bremer Hilfe. Gunter Hilliges, SPD, vom Landesamt für Entwicklungszusammenarbeit, bekam Geld für sein „Forum Städtesolidarität“ mit Pune. Die „Bremische Gesellschaft für Politik und Bildung“ kriegte 1.000 Mark — ihr 2. Vorsitzender heißt Ex-Senator Sakuth. Warum soll nicht der Campingplatz e. V. unterstützt werden? 1. Vorsitzender: Senator a. D. Seifriz (SPD). Für den Wassersportverein „Hanse-Kogge“ und seinen Shanty-Chor, aufgetreten im richtigen New York, gab es 5.000 Mark, und Ludwig Hettling (SPD) bedankt sich. Manchmal berühren Spendenbitten auch durchaus das Unternehnmensziel, so die Windrad-Anlage für die Schule Lerchenstraße. Es freut sich nett die SPD-Abgeordnete Traudy Hammerström. Wer denkt, mit Cecilie Eckler-von Gleich hätte es mal eine Grüne erwischt, sieht sich getäuscht: Den Bittbrief für die Unterstützung der Ausstellung Bremer Stadtteil- und Betriebsgeschichtsgruppen schrieb jedenfalls SPDler Heinz- Gerd Hofschen, mit Erfolg.
Einige erinnern sich noch an die peinliche Affaire, als die ehemaligen Zwangsarbeiterinnen aus Obernheide nach Bremen geladen und hier finanziell ziemlich popelig behandelt wurden. 3.000 Mark haben die Stadtwerke damals direkt an den „Härtefonds“ des Senators für Arbeit überwiesen für diese Delegation — auf Bitte von Arbeitssenator Wedemeier. Der Präsident der Architektenkammer, Turk, will Geld für eine Dokumentation über Architektur und Baugeschichte Bremens und scheut sich nicht, im Bittbrief an die Stadtwerke hinzuweisen: „Auch Ihr Gebäude wird in diesem Buch als typisches Beispiel (...) Erwähnung finden.“ Und, doppelt hält besser, anbei und obendrauf liegt ein Visiten-Kärtchen des mächtigen Eberhard Kulenkampff, früher Bau-Staatsrat, heute Gewoba-Chef, „mit der Bitte um Unterstützung“ an den Genossen Czichon. Um in seiner Carl-Schurz-Gesellschaft die deutsch-amerikanischen Beziehungen zu pflegen, bekam Senator a. D. Graf Geld von den Stadtwerken. Für den „Weserbund“ dankt Karl-Heinz Jantzen (SPD), Ex-Finanzsenator und Ex-Stadtwerke- Aufsichtsrat.
Abgesehen von den direkten Parteispenden gab es andere Zuwendungen. Die Hemelinger Genossin Gisela Fröhlich bekam für die jährlichen SPD-Kinderfeste immer mal wieder 500 oder 600 Mark. Die SPD-nahe Friedrich- Ebert-Stiftung bekam ebenso Spenden wie die Hans-Böckler- Stiftung; von Zuwendungen für Stiftungen anderer Parteien ist den Akten nichts zu entnehmen. S.P.
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