Die Seelenverkäufer vom Betzenberg

■ 1. FC Kaiserslautern - VfB Stuttgart 0:0

Kaiserslautern (taz) – Ciriaco Sforza, der 22jährige Schweizer Nationalspieler, stand nach dem 0:0-Kick zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und dem VfB Stuttgart nachdenklich im Presseraum. Nein, bereut habe er seine Unterschrift noch nicht, die er wenige Stunden zuvor unter einen ab 1. Juli 1993 laufenden Vertrag gesetzt habe. „Wenn der FCK seine guten Spieler hält, dann ist im nächsten Jahr doch einiges drin.“ Für 2,4 Millionen DM kommt der Italo-Schweizer, der vor einem Jahr auch beim SSC Neapel im Gespräch war, von den Grasshoppers Zürich auf den gar nicht mehr so uneinnehmbaren Betzenberg.

Warum der „höchste Berg der Pfalz“ seinen Schrecken für viele Gegner, ob groß, ob klein, eingebüßt hat, sahen 34.698 ZuschauerInnen beim Spiel der gestrauchelten Meister von 1991 und 1992. Der 1. FCK spielte planlos, ohne Impulse aus dem Mittelfeld, eine Mannschaft aus Einzelspielern, die keine engere Bindung zueinander haben und diese auch nicht eingehen wollen.

Nach dem 0:0 kam dann der große Auftritt des Großmeisters der Beschwichtigungsversuche, der selbst grausamste Darbietungen seiner Elf schönzureden weiß, ohne rot zu werden. FCK-Trainer Rainer Zobel trat vor das Mikro und wollte „der Mannschaft heute gar keinen Vorwurf machen, sie hat wirklich alles gegeben“. Die Umstehenden waren von diesem Spruch so überwältigt, daß ihnen keine Fragen mehr einfielen. Seit dem 3:0 gegen Schalke 04 am 13.11.1992 ist der FCK zu Hause sieglos. Das treue Publikum grollt und schweigt und pfeift. Zwar blieben dieses Mal die „Zobel raus“- Rufe aus, doch der Trainer gilt als Hauptschuldiger für die Misere.

Zobel, der seine Entscheidungen oft aus dem hohlen Bauch heraus zu treffen scheint, stößt zunehmend auf Unverständnis auch in seiner direkten Umgebung. Der Meister der lockeren Sprüche („Früher als Spieler bei den Bayern habe ich drei Päckchen am Tag geraucht, heute ist es nur noch eines.“) ist einsam geworden in der Pfalz, wo Sprüche nur imponieren, solange der Erfolg da ist. Die Angst geht um auf dem Betzenberg, wo der UEFA-Cup-Platz fest eingeplant war und jetzt sogar der Klassenerhalt in Gefahr geraten könnte. Welcher Teufel Rainer Geye geritten haben muß, als er Zobel als Feldkamp-Nachfolger präsentierte, ist bis heute ein Rätsel. Auf jeden Fall war es ein Schritt zurück in die düstere Ära Gerd Roggensacks, der über die Uneinigkeit in der Mannschaft ignorant hinwegsah und daran scheiterte. Auch Rainer Zobel droht dieses Schicksal über kurz oder lang, längst sprechen Eingeweihte von „Handlungsbedarf“.

In dieser noch nicht ganz prekären Situation trifft der 1. FCK Vorbereitungen für die nächste Spielzeit, wo alles wieder besser werden soll. Mit Ciriaco Sforza als Hoffnungsträger zurück zu den Höhen der Jahre 1990 und 1991, als Pokal und Deutsche Meisterschaft erkämpft wurden? Viele der Leistungsträger von damals – Uwe Scherr, Kay Friedmann, Markus Schupp, Bruno Labbadia und Guido Hoffmann – sind nicht mehr da. Der Mannschaft des 1. FC Kaiserslautern ist ihre Seele abhanden gekommen, verkauft in alle Himmelsrichtungen. Günter Rohrbacher-List

VfB Stuttgart: Immel - Dubajic - Strehmel, Schäfer - Buck, Strunz, Buchwald, Sverrisson, Frontzek - Gaudino, Walter (74. Schneider)

Zuschauer: 34.698

Gelb-rote Karte: Strehmel (28.) wegen wiederholten Foulspiels

1. FC Kaiserslautern: Ehrmann - Kadlec - Eriksson, Funkel - Goldbaek (80. Zeyer), Ritter, Hotic, Kuntz, Wagner - Vogel (46. Marin), Witeczek