Behinderte im Knast

■ betr.: "Bloß keine Rührungstränen", taz vom 30.3.93

betr.: „Bloß keine Rührungstränen“, taz vom 30.3.93

[...] Wie problematisch das Thema, Umgang mit Behinderten, draußen schon ist, hier im Strafvollzug geht es noch anders, hier ist der Umgang mit Behinderten pervertiert. Vollzugsbedingungen für den normalen (hier für gesunden) Knacki schon schwer genug, wird für Behinderte in Haft das Leben (besser gesagt Überleben) in Haft nicht nur schwer, sondern auch gefährlich. [...]

Nach außen, in die Öffentlichkeit dringt so gut wie nichts. Es wird so getan, als wenn es Behinderte im Vollzug gar nicht gibt. Es ist teils Medizinern draußen nicht bekannt, daß Behinderte genauso weggesperrt werden wie gesunde Menschen. Versuche, an die Öffentlichkeit zu gehen, werden in der Regel unterdrückt, zumindest erschwert, meist brutal abgewürgt.

Ich sehe täglich Behinderte, Männer mit einem Bein, einem Arm – noch das Sichtbarste in dieser Richtung –, aber auch viele andere, die herzkrank, kreislaufgeschädigt oder sonstwie schwerbehindert sind. Da diese Leute in der Regel wegen ihrer Behinderung arbeitsmäßig nicht zu vermitteln sind, vegetieren sie auf den Zellen.

Behinderteninitiativen? Ja, die gab es schon. Sie wurden schwer erkämpft, aber sie wurden schnell und effektiv zerstört, teils mit subtiler teils mit körperlicher Gewalt. [...] Notfalls haut man dem aufmüpfigen Krüppelchen beim Bad (ohne Aufsicht) eins aufs Maul, oder man läßt ihm beim Treppensteigen, mittels Beinchen halten, fallen.

[...] Ohne Arbeit kein Geld, also auf Antrag Taschengeld, monatliches Almosen 35 bis 40 DM. Das wird sofort anteilmäßig gepfändet. Jeder Behinderte bekommt Körperersatzstücke oder ähnliche Leistungen, Zahnersatz oder oder. Dies wird anteilmäßig angerechnet, das wiederum wird anteilmäßig gepfändet vom gewährten Taschengeld in Abzug gebracht. [...] Hier gibt es Gefangene (behindert), die schon wieder Zigarettenkippen im Dreck des Hofes und des Flures suchen, gnädig geduldet von den diensthabenden Beamten, die amüsiert zusehen.

[...] Die Mülleimer der Justiz sollen zubleiben, es könnte stinken. Davon, daß wir im „Gestank“ hier drinnen fast am Ersticken sind, davon soll/darf keiner was hören. Karl, ein Behinderter im Vollzug