Die Freidemokraten als glücklicher Verlierer

■ Nach dem Karlsruher Beschluß: Weitere Kampfeinsätze der Bundeswehr nicht ausgeschlossen/ Die FDP ist dankbar für ihre Niederlage

Bonn (taz) – Die Freidemokraten ließen am Donnerstag abend nicht einmal eine Schamfrist verstreichen. Kaum hatte das Bundesverfassungsgericht den FDP- Antrag auf einstweilige Anordnung zurückgewiesen, trat in Karlsruhe ein freudig strahlender FDP-Fraktionsgeschäftsführer vor die Mikrofone. Nun sei „Rechtsklarheit“ geschaffen, verkündete Werner Hoyer dem n-tv-Publikum. Die Frage, ob der Einsatz über Bosnien verfassungswidrig sei, bleibe zwar „in der Tat offen“, doch wichtiger sei die Rechtssicherheit für die Soldaten in den Awacs-Maschinen.

Eine halbe Stunde später in Bonn das gleiche Spiel. Er sei „persönlich dankbar“ für den Karlsruher Beschluß, erklärte FDP-Außenminister Klaus Kinkel den für eine eilig anberaumte Pressekonferenz herbeitelefonierten Journalisten. Die Verfassungsbedenken seien zwar „nicht völlig ausgeräumt“, doch zumindest soweit beiseite geschafft, daß die Soldaten in den Maschinen bleiben könnten. Die „Spannung“ in der Koalition, freute sich Kinkel, sei „beseitigt“.

Die schnelle Reaktion der Freidemokraten hatte ihre Gründe. Daß sie in Karlsruhe unterliegen würden, hatte Kinkel von Anfang an gehofft. Spätestens seit der mündlichen Gerichtsverhandlung am Mittwoch konnte er damit rechnen, daß das Gericht mit dem Verweis auf die außenpolitischen Folgen den Awacs-Stopp ablehnen würde. Doch was hatte der Karlsruher Beschluß für die FDP geändert? Daß der außenpolitische Schaden groß hätte sein können, wären die Deutschen aus den Awacs-Maschinen ausgestiegen, wußte Kinkel schon vorher. Was die Verfassung erlaubt, war am Donnerstag abend immer noch offen. Was also hatte Karlsruhe geändert? „Ich verstehe diese Frage nicht“, brummelte Kinkel, „wir sind doch rechtlich abgesichert.“

Neben ihm warb CDU-Verteidigungsminister Volker Rühe um „Verständnis“ für die schwierigen Diskussionen, die die FDP habe führen müssen: Der Sieger im Koalitionsstreit mühte sich, dem Verlierer wieder auf die Beine zu helfen. Kinkel und Rühe, das außenpolitische Duo der Bundesregierung, waren wieder im Gleichklang. Beide wollten nicht einmal ausschließen, deutsche Soldaten zu weiteren Kampfeinsätzen außerhalb des Nato-Gebiets zu schicken, bevor Karlsruhe in der Hauptsache über die Klagen von FDP und SPD entschieden habe.

Das sei „eine hypothetische Frage“, wiegelte Kinkel ab. Und Rühe sah zwar „im Augenblick“ keinen denkbaren deutschen Einsatz, wollte aber erst einmal „abwarten, was auf uns zukommt“. Eins sei jedoch klar: Eine Verfassungsänderung könne auf alle Fälle bis zur endgültigen Karlsruher Entscheidung warten. Derweil hatte in Karlsruhe auch FDP-Fraktionschef Hermann Otto Solms die Ansprüche an eine Grundgesetzänderung heruntergeschraubt. Es genüge, wenn der Bundestag mit Kanzlermehrheit über künftige Kampfeinsätze entscheiden könne, erklärte Solms. Eine Zweidrittelmehrheit, wie bislang von der FDP der SPD angeboten, sei nicht nötig.

Die in Karlsruhe mit ihrem Antrag auf einen Awacs-Stopp ebenfalls unterlegene SPD blies gehorsam zum Rückzug. Die SPD-Fraktion bleibe zwar bei ihrer Absicht, im Bundestag über ein Ende der deutschen Beteiligung bei Awacs abstimmen zu lassen, sagte ihr parlamentarischer Geschäftsführer Günter Verheugen gestern vormittag. Eine Sondersitzung des Bundestages während der Osterpause, wie in der SPD ursprünglich überlegt, würden die Sozialdemokraten jedoch nicht beantragen. Grund: Wegen der Haltung der FDP sei eine Mehrheit für den Antrag sowieso nicht zu erwarten. Hans-Martin Tillack