Armenien startet neue Offensive

■ Waffenstillstand gescheitert / Weiterer armenischer Vorstoß auf aserbaidschanisches Territorium / Boris Jelzin will vermitteln

Moskau (dpa/AFP) – Armenische Truppen haben gestern trotz intensiver russischer Friedensbemühungen eine neue Offensive im Südwesten von Aserbaidschan gestartet. Das teilte das Verteidigungsministerium Aserbaidschans in Baku nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Interfax mit. Armenische Einheiten aus der Enklave Berg-Karabach seien bis auf vier Kilometer an die strategisch wichtige Stadt Fisuli herangerückt. Sollten die Armenier Fisuli einnehmen, wären diesen Angaben zufolge vier aserbaidschanische Bezirke mit rund 250.000 Bewohnern vom Rest der Republik abgeschnitten.

Rußland setzte angesichts der Eskalation des Konflikts seine intensiven Bemühungen fort, zumindest eine Feuerpause zu vermitteln. Gestern bot sich Präsident Boris Jelzin an, persönlich zwischen Aserbaidschan und Armenien zu vermitteln. Das meldete die Nachrichtenagentur ITAR- TASS unter Berufung auf das armenische Präsidentenamt in Eriwan, dem ein entsprechendes Schreiben Jelzins vorlag.

Ein Versuch des russischen Verteidigungsministers Pawel Gratschow, am Donnerstag mit Vertretern beider Republiken eine Feuerpause auszuhandeln, scheiterte. Gratschow hatte zwar am Abend im russischen Schwarzmeerkurort Sotschi eine Waffenruhe verkündet. In Baku und Eriwan wurde das aber am Freitag morgen dementiert. Für kommenden Dienstag sind in Moskau erneut Verhandlungen auf Regierungsebene geplant.

Der Oberbefehlshaber der Berg-Karabach-Truppen sagte ITAR-TASS in einem Telefonat am Freitag: „Die Republik Berg- Karabach ist zu direkten Gesprächen mit Aserbaidschan über eine Feuerpause ... bereit.“ Direkte Verhandlungen lehnt die Führung in Baku bisher strikt ab, hieß es weiterhin.

Bereits am Donnerstag hatte es heftige Gefechte im Bezirk Martuni im Osten der Enklave und entlang der armenisch-aserbaidschanischen Grenze gegeben.

Nach Angaben des aserbaidschanischen Verteidigungsministeriums wurden am Freitag Ziele in den südwestlichen Bezirken Kubatly, Sangelan und Latschin mit Artillerie und Raketen beschossen. Die Zahl der Opfer war zunächst nicht bekannt.

Die militärischen Vorstöße der Armenier lösten international heftige Proteste aus. Die Türkei und der Iran zogen Truppen an der Grenze zu Armenien zusammen. Der türkische Präsident Özal forderte am Freitag bei einem Besuch in Kasachstan „Aktionen gegen Armenien“ und kündigte mögliche Militärmanöver im türkisch- armenischen Grenzgebiet an.