Ungewißheit der Liebe

■ Heute liest Herrmann Peter Piwitt aus Die Passionsfrucht, dem zweiten Teil seiner Trilogie über Gabriele d'Annunzio

aus Die Passionsfrucht,

dem zweiten Teil seiner Trilogie über Gabriele d'Annunzio

„In einem Kelch ein weiß-blauvioletter Strahlenkranz rund um ein doppelstöckiges Gestänge von Fruchtknoten, Staubgefäßen und Stempeln derart, daß spanische Missionare die Marterwerkzeuge Christi, Dornenkrone, Lanze und Essigschwamm darin zu erkennen vermeinten.“ Dies ist die Blüte der Passionsfrucht, Sinnbild christlicher Mythologie ebenso wie Symbol der Erotik und Titel des neuen Romans von Herrmann Peter Piwitt.

Mit derselben Sorgfalt, mit der er hier das Bild einer Blüte zeichnet, nähert sich der Hamburger Schriftsteller und bekannte Essayist auch den Figuren seines Romans. Sich der traditionellen Erzählform verweigernd schildert er die Reise des alternden Kunstprofessors und Malers Mahler an den Gardasee, wo er auf den Spuren des italienischen Dichters Gabriele d'Annunzio wandelnd, an seine eigenen Kriegserfahrungen erinnert wird. Im Gegensatz zum Granatapfel, dem ersten Teil der als Trilogie geplanten Romanfolge ist es in der Passionsfrucht nicht d‘Annunzio selbst, der sich an die verschiedenen Stationen seines Lebens erinnert. „Vieles wird statt dessen erzählt von vielen. Und aus vielen Ecken.“ (Piwitt in Konkret). So auch von dem Partisanen Dario Rizzo, der sich an seine Erlebnisse unter dem italienischen Faschismus erinnert.

Zwischen diesen Bruchstücken, bestehend aus Erinnerungen und Beschreibungen von Dokumenten, eine Liebesgeschichte, die in der erzählten Form an Raymond Federmans Eine Liebesgeschichte oder sowas ... erinnert. Immer wird die Ungewißheit der Liebe bewußt gemacht, wird alles in Frage gestellt, sogar die Existenz Carlas, der jungen Geliebten Mahlers; bleibt doch bis zum Ende offen, ob sie nicht nur einem Bild des italienischen Malers Botticelli entstiegen ist.

Die symbolträchtige Sprache, voller Anspielungen auf andere Werke der Literatur und auf die christliche Mythologie gibt oftmals Rätsel auf, ist nicht immer leicht zu verstehen. Seine Abneigung, den Dingen einen Namen zu geben, weil sie dadurch allzu leicht in eine

1Schublade geschoben würden, hat der Autor schon in vielen seiner Essays zum Ausdruck gebracht. Auch in Der Passionsfrucht ist diese Angst vor der Macht des Wortes immer präsent und läßt Beschreibungen entstehen, die nicht nur die Phantasie anregen, sondern dem Leser und der Leserin das Gefühl geben, vieles zum ersten Mal und

1somit neu wahrzunehmen. Durch seinen Sprachreichtum fordert Piwitts Buch geradezu dazu auf, es mehrmals zu lesen und immer wieder neu zu begreifen. Wer sich selbst einen Eindruck verschaffen will, hat heute Gelegenheit dazu. Der Autor liest um 19.30 Uhr in der Heinrich-Heine Buchhandlung. Babette Schröder