Neuer Zulauf für die Rote Armee Fraktion?

■ Unter dem Namen RAF kündigen Unbekannte neue Anschlagserie an

Berlin (taz) – „Wir unterstützen die Mitglieder des Kommandos Katharina Hammerschmidt und kündigen für die nächsten Wochen massive Aktionen an, um diesen neuen Anstoß zu unterstützen.“

So heißt es in einem zweiseitigen Schreiben, das der taz vergangenen Samstag mit der Post zuging. Unter dem Namen „Kommando Katharina Hammerschmidt“ verübte die Rote Armee Fraktion (RAF) am 27. März einen Sprengstoffanschlag auf den Gefängnisneubau im hessischen Weiterstadt.

Auch das neue, am 8. April in Hamburg abgestempelte Schreiben gibt als Absender überraschend „Rote Armee Fraktion am 1.4.93“ an und ist mit dem auch sonst von der RAF verwendeten fünfzackigen Stern mit Maschinenpistole versehen. „Wir begrüßen den Anschlag von Weiterstadt“, schreiben die Unbekannten, „der Knast war Symbol der bundesdeutschen und europäisch rassistischen Flüchtlingspolitik“. Form und Inhalt differieren aber erheblich von den letzten Erklärungen der RAF.

Der Widerspruch, wonach die RAF ihren eigenen Anschlag begrüßt, deutet (unter dem Vorbehalt, daß das Schreiben authentisch ist) auf die Existenz verschiedenartiger, voneinander unabhängig agierender Gruppen hin, die unter dem gemeinsamen Namen RAF firmieren wollen. Dafür spricht, daß die Autoren des neuen Papiers behaupten, „seit 1984 gibt es erstmals wieder verschiedene Strukturen der Gruppe“.

An anderer Stelle heißt es: „Es ist uns aber wichtig, daß der Staat merkt, daß wir mehr werden und wenn auch durch die repressive Methodik der Überwachung getrennt, trotzdem gemeinsame Ziele und Überzeugungen haben.“ Kryptisch bleibt hingegen die Aussage, daß es Zeit werde „für die Aufklärung der Staatsschutzlügen in bezug auf die Attentate auf Rohwedder und Herrhausen“. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, war am 30.11. 1989, der Chef der Berliner Treuhandanstalt, Detlev Karsten Rohwedder, am 1.4. 1991 von der RAF ermordet worden.

Auch für die Schreiber des neuen Papiers gilt die Gewaltverzichterklärung der RAF vom April letzten Jahres: „Wir bestätigen zunächst die Rücknahme von Anschlägen auf Repräsentanten aus Wirtschaft und Politik.“ Gleichzeitig kündigen sie aber an, „von nun an offensiv mit anderen Mitteln gegen diesen starken Staat (zu) kämpfen, der weiter jede politische Alternative, jede Selbstbestimmung und Entwicklung plattzumachen droht“. Ein genaues politisches Strategiepapier soll nach den ersten Aktionen folgen.

Vorab wird den LeserInnen der Erklärung mitgeteilt, „wir wollen wieder ein Magnet werden für die, die sehen, daß wir global in eine Krise steuern, die alle abwenden müssen“. Es müsse eine Basis geschaffen werden „für eine Macht von unten, für einen Kampf gegen oben“.

Auf die ins Stocken geratene Kinkel-Initiative zur vorzeitigen Haftentlassung einzelner RAF- Gefangener wird auch Bezug genommen: „Die Behandlung der politischen Gefangenen der RAF ist ein anderer Teil unseres Kampfes.“ Das Schreiben richtete sich explizit an die taz. Die Autoren glauben: „Eure Zeitung ist ein Teil dieses Prozesses.“ Wolfgang Gast