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„Zeigen, daß wir noch da sind“

70 DemonstrantInnen, 1 Hund, 1 Gitarre, 11 Transparente vor der Awacs-Airbase / Die Friedensbewegung war dennoch „stolz, daß soviele gekommen sind“  ■ Aus Geilenkirchen Bernd Müllender

Kurt Heiler vom Aachener Bund der Antifaschisten, der Hauptredner, gab sich gleich zu Beginn über Megaphon überaus zufrieden: „Ich bin stolz, daß soviele gekommen sind.“ Einige lächelten, andere applaudierten artig. Wenn man so will, war die gestrige Anti-Awacs-Demonstration in Geilenkirchen, vielfach in TV- Nachrichtensendungen als Hauptereignis der diesjährigen Ostermärsche angekündigt, statistisch wirklich eine der größten Erfolge der bundesdeutschen Friedensbewegung: Auf jeden Teilnehmer und jede Teilnehmerin kam immerhin ein Medienmensch. Und als der verspätete Bummelzug aus Aachen noch einige Unentwegte ausspuckte, hatten sich schließlich fast 70 DemonstranInnen versammelt. Dazu kamen noch vier Kleinkinder, 1 Hund, 1 Gitarre und 11 Transparente.

Die Demo in der rheinischen Provinz, von wo jetzt deutsche Offiziere aufbrachen in den Krieg: PassantInnen nahmen einige Flugblätter mit für den heimischen Altpapiercontainer, Borcherts „Sag Nein“ schallte den KirchgängerInnen entgegen, und wer stehenblieb, hörte von den früheren deutschen Militäreinsätzen in Jugoslawien, als die Wehrmacht Zehntausende massakrierte. Kurt Heiler meinte: „Wir fangen wieder an. Die Herausforderungen für die Friedensbewegung sind größer geworden. Aber es ist Unsinn zu glauben, daß wir wirklich etwas verändern können.“ Aufklärungsarbeit gilt es nach Heiler zu leisten und Argumente klar zu machen.

Spektakuläre Aktionen gibt es nur noch für die Phantasie: „Die Idee, Zweikomponentenkleber auf die Startbahnen zu schütten und uns massenhaft an die Awacs- Maschinen dranzuhängen, um sie am Starten zu hindern, haben wir im letzten Moment verworfen. Und den Bürgern in dieser CDU- Stadt muß ich vorweg erklären, Selbstverbrennungen und Selbstverstümmelungen planen wir leider auch nicht.“ Lachen befreit von Frust, wenn keiner mehr kommt, obwohl im gleichen Moment erstmals seit 1945 deutsche Soldaten zum Kampfauftrag in den Krieg ziehen. Und die Demonstration war ja zufällig auch auf die Stunden terminiert, in denen die ersten der Awacs-Flugzeuge – allerdings nicht in Geilenkirchen – in den Himmel starteten.

Als der Oster-„Marsch“ losging Richtung Airbase im Geilenkirchener Vorort Teveren, dem Heimatport der Awacs-Flieger, suchten acht Kamerateams verzweifelt nach Motiven und nach Aufnahmeplätzen, wo man nicht die Konkurrenz im Bild hatte. Der dürre Chor der 70 Aufrechten skandierte: „Lieber an den Füßen Blasen, als hier die Nato-Abschußbasen.“ Und ein älterer Demoveteran meinte zur mäßigen Beteiligung: „Für zu zeigen, daß wir, die Friedensbewegung, noch da sind, reicht dat. Die Machtfrage stellen, dat wollen wir ja jar nit.“

Währenddessen war vor der Kaserne selbst Kriegsbusiness as usual. Der „Security State“ über dem Eingangstor wies elektronisch ein „N“ aus, was „Normal“ heißen soll, indes ein wachhabender Major scherzig mit „Sicherheitsstatus nichts“ übersetzte, um zu zeigen, wie wenig bedrohlich man die herannahenden FriedensaktivistInnen empfand. Als die demonstrierende Kleinkulisse endlich vor dem Tor eintraf, schaltete Vox („das Ereignisfernsehen“) gar auf Live-Übertragung.

Ein Offizier verteilte zur Deeskalierung der Stimmung bunte Ostereier. Manche aßen sie tatsächlich, trotz der Rufe „Freiheit für KZ-Hühner“ und den Meldungen über Salmonellen. Das Aachener Demofossil „Tutti“, mit bürgerlichem Namen Martina Haase, trug noch ein selbstverfaßtes Gedicht vor und einer schlug vielgefilmt die Klampfe an. Statt der Awacs-Bomber, die man wenigstens hätte ausbuhen können, kreisten nur zwei Segelflieger über der Kaserne.

Dann sagte doch noch eine Kundgeberin, was Sache ist: Als man vor vielen Jahren gegen die Stationierung der Awacs in Geilenkirchen demonstriert hatte, hieß es, die Maschinen seien nur ein passives Frühwarnsystem. Spätestens seit dem Golfkrieg („punktgenaue und mediengerechte Präzisionsaufgaben“) müßten doch alle wissen: „Das war immer eine große Lüge.“

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