Die zerstörte Hafenkultur im Bild bewahrt

■ Mit zwei Veröffentlichungen und einer Ausstellung werden die Fotografen Johann und Heinrich Hamann gewürdigt

und Heinrich Hamann gewürdigt

Die meisten Hamburger, die eine Vorstellung von den Gängevierteln haben und sie selbst nicht mehr erleben konnten, verdanken diese Bilder den Fotografien von Johann und Heinrich Hamann. Vor allem die Arbeiten des Vaters Johann, der vor etwas mehr als hundert Jahren sein Atelier ebendort eröffnet hatte, beschäftigen sich breit mit Leben und Arbeiten in den proletarischen Quartieren zwischen Alster und Elbe. Daß die Abbildung der schmutzigen Enge und der katastrophalen Lebensbedingungen uns heute eher mit romantischen Gefühlen befallen, mag an der Vertrautheit und heimatlichen Zuneigung liegen, mit der Hamann „seine“ Viertel porträtierte.

Mit seiner sperrigen Plattenkamera begleitete er das Leben unter dem Michel bis zur Zerstörungsphase durch den Hamburger Senat (ab 1901), dem die unübersichtlichen, unhygienischen und politisch radikalen Viertel stets ein Dorn im Auge gewesen waren. Mit deren Vernichtung, von den Nazis und den Bomben vollendet, verschwand ein Teil spezieller Hamburger Lebenskultur, die auf den Bildern von Johann Hamann eindrucksvoll gebannt wurde. Die intakte Verbindung zwischen Hafen und dazugehörigen Arbeitervierteln, also die räumliche Nähe von Leben, Arbeiten und Freizeit, entwickelte eben jene typische Hafenkultur, die heute so gerne nostalgisch vermarktet wird.

Gleichzeitig dokumentierte Hamann aber auch das Bild der übrigen Hansestadt zur Jahrhundertwende. Dabei hat er immer auf belebte Bilder wert gelegt. Man wird kaum eine Aufnahme finden, auf der nicht bewußt Menschen mit ins Bild gerückt wurden. So vermittelt sich oft weit mehr als die architektonische Schönheit die Lebensart im Kaiserreich.

Mit einer Ausstellung und zwei Veröffentlichungen wird nun das einmalige Vermächtnis der beiden Fotografen (Sohn Heinrich arbeitet ab 1900 mit dem Vater zusammen) gewürdigt. Die Dokumentation Historisches Hamburg (Christians Verlag) beschäftigt sich fast ausschließlich mit Fotografien der Hamanns aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg und hat ihren Schwerpunkt auf Stadtbildern. Hier wird dem Wunsch der Hanseaten nach Hamburgensien ausgiebig Rechnung getragen. Der zweite, dem Hafen gewidmete Teil, versammelt sowohl Motive der alltäglichen Arbeit als auch Hamanns Tätigkeit für die Hapag, insbesondere den Bau des damals größten Schiffes der Welt und Reportage-Bilder über die Amerika- Auswanderer.

Leider vernachlässigt der großformatige Bildband ein wenig das Hintergründige. Zwar wird die Lebensgeschichte der Familie erzählt, ein wenig mehr Stoff zu den sozialen, wirtschaftlichen, politischen und menschlichen Zeitumständen hätte den Band aber von einem Geschenkartikel zu einem wirklichen Geschichtswerk erheben können.

Für diese Aufgabe deutlich zu schmal, aber dafür in der Auswahl mit einem stärkeren Blick auf das Ungeschönte, sind die zwei Hefte der Edition Photothek, herausgegeben von Walter Uka, hier eine interessante Ergänzung. Rund um die Gängevierte und Arbeit im Hafen (NiSHEN-Verlag) beschränken sich auf die soziale Bildreportage und liefern dazu auch das nicht so glatte Material der Hamanns. tlb

Ausstellung Teil 1: Landesbildstelle, Kieler Str. 171, noch bis zum 30. 4.

Teil 2: Dresdner Bank, Dammtorstr. 1, heute Eröffnung, 18 Uhr, bis 8. 6.