Von der Seichtigkeit des Seins

■ Künstler ohne Arg und Falsch: Cornelius Fraenzel in der „Portal Gallery“ - ein gar nicht so naiver Deutscher "Naiver"

„Wie lächerlich wirken unsere Wichtigkeiten, stellt man sie in einen anderen Zusammenhang.“ Ach, wie wahr. Das ist mal schön gesprochen. Weisheiten dieses Kalibers auszusprechen, ganz ohne Arg und Falsch — das ist eine Kunst, die heute nur ein Künstler kann. Zu diesen Glücklichen gehört Cornelius Fraenkel. Mit philosophischen Schmankerln wie der oben zitierten darf sich der in Heidelberg lebende Maler zu jener raren Spezies im zeitgenössischen Kunstgeschehen zählen, die nicht ohne Grund als „Naive“ verkauft werden. In Bremen besorgt dies bekanntlich die „Portal Gallery“. Sie widmet Fraenkel jetzt eine kleine Retrospektive, die unter dem Titel „Erweiterte Horizonte“ in die wunderbare Welt dieses deutschen Naiven einführt.

Es ist schon ein illustrer Kreis, in den Fraenkel sich hier einreihen darf. Die „Portal Gallery“ räumt üblicherweise ja nur den unerhörten Größen der britischen „Primitive Artists“ ihren respektablen Platz ein. Das Eti

hier bitte die

phantastische Zeichnung

Cornelius Fraenkel: „Erweiterte Horizonte". Ölbilder und Aquarelle in der „Portal Gallery“

kett klingt auch nicht gar so negativ wie das deutsche „naive

Kunst“. Sogar eine richtige kleine „Portal School“ hat sich so

um die Hauptvertreung der Galerie in London geschart. Das ist natürlich ein clever gewählter und wohl auch gut verkäuflicher Markenname. Aber frei erfunden ist diese „School“ tatsächlich nicht. Die Mischung aus Exzentrik und Phantastik, aus privater Spleenigkeit und großspuriger Weltgewandtheit ist den britischen KünstlerInnen seit Jahrhunderten zu eigen; von William Blakes verquaster Mythologie über den morbiden Gefühlsschwulst der „Präraffaeliten“ bis eben zu den immer wieder neuen Primitiven.

In deren Geist schafft nun auch Fraenzel. Großartige Visionen vom Leben, dem Universum und dem ganzen Rest sind hier zu schauen; Fraenzels Gestus aber ist eher der des bescheidenen, unbescholtenen und unverbildeten Klausners. „Unsophisticated“ soll der Naive sein, edel und gut. Und möglichst Autodidakt. Letzteres aber trifft auf Fraeznel eben nicht zu. Und so hat er alle Mühen, die Last seiner akademischen Ausbildung abzuschütteln und wirklich frei heraus und so richtig naiv zu malen.

Er bevölkert seine Weltlandschaften brav mit allerlei possierlichen Wesen, die dem Künstler vermeintlich im privaten Kämmerlein erschienen sind und doch stark ähneln dem versammelten Symbolgetier der phantastischen Kunst seit den Tagen von Bosch und Breughel.

Vor verschiedenen Variationen des Turmbaus zu Babel, wie er ja immer wieder gern zitiert wird, läßt Fraenzel den antiken Pegasus und die Dali-Giraffen friedlich nebeneinander grasen. Das Ganze ist dann natürlich Zivilsationskritik wie aus Kindermund: Die schiefen Türme nämlich „sind ein Hinweis auf den menschlichen Größenwahn“. Auch „die Unwichtigkeit des menschliches Maßes“ ist Fraenzel wichtig. Richtig klein und nichtig dürfen wir uns vor seinen wunderschön und haarpinselklein ausgemalten Weltbildern fühlen. Die Naiven und wohl auch die, die sich einfach nur so naiv geben, sind eben doch die besseren Menschen. Auch wenn ihre geweiteten Horizonte meistens ins Nichts führen. two

Bis zum 30. 4.,Am Dobben 105