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Spaniens Sozialisten lassen wählen

Regierungspartei in der Krise / Streit über illegale Parteispenden und Streikgesetz / Weiteres Debakel sollte vermieden werden / Opposition sitzt hoffnungsfroh in den Startlöchern  ■ Aus Madrid Antje Bauer

Seit mehr als einem Jahr wurde darüber spekuliert, nun hat er sich endlich entschlossen: Am Dienstag gab der spanische sozialistische Ministerpräsident Felipe González das Vorziehen der Parlamentswahlen auf den 6. Juni bekannt. Als Grund, das Wahlvolk vier Monate vor der Zeit zu den Urnen zu rufen, gab González das „angespannte politische Klima“ an und beschuldigte die Opposition, eine „irrationale“ Kritik an der Regierungspolitik zu üben. Tatsächlicher Auslöser für die schon lange auch in den eigenen Reihen geforderte Vorverlegung ist jedoch die tiefe Krise, in der die Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens (PSOE) steckt und die am vergangenen Wochenende fast zu einem Bruch geführt hätte.

Am 22. März hatte eine Gruppe von Steuerexperten des Obersten Gerichtshofs festgestellt, daß die Sozialistische Partei über die Scheinfirmen Filesa und Time-Export illegal Spenden in Höhe von einer Milliarde Peseten (circa 15 Millionen DM) erhalten hatte. Die beiden Firmen waren in Händen von Mitgliedern der Sozialistischen Partei. Als Reaktion auf den Aufruhr, den der Bericht der Steuerfahnder in der Öffentlichkeit erzeugt hatte, waren innerhalb der PSOE Forderungen laut geworden, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und Köpfe rollen zu lassen. Aus Protest gegen diese Forderungen hatte der Sekretär der Organisation und einer der wichtigsten Männer der Partei, Txiki Benegas, Anfang April seinen Rücktritt eingereicht und damit eine parteiinterne Zerreißprobe heraufbeschworen.

Zweiter Anlaß für die heftige parteiinterne Krise, die entlang derselben Frontlinie verläuft, ist der Konflikt um ein neues Streikgesetz, das die Partei mit den beiden großen Gewerkschaften UGT und CCOO ausgehandelt hat, das jedoch seitens der Parteirechten — und des Premierministers González — nicht auf Zustimmung stößt. Hintergrund der Krise, die am Wochenende dadurch beigelegt wurde, daß González die Zügel der Partei übernahm und den Rücktritt von Benegas ablehnte, sind die Flügelkämpfe zwischen den Anhängern des Vizeparteivorsitzenden Alfonso Guerra, der einen populistischen Kurs mit linksradikalem Duktus vertritt, und den sogenannten „Erneuerern“, die eine Öffnung der Partei befürworten.

Neben den Auseinandersetzungen innerhalb der PSOE, die angesichts des bevorstehenden Wahlkampfs nun zurückgestellt werden, war jedoch der rapide Popularitätsverlust der Regierung ein wichtiger Grund für die Vorziehung der Neuwahlen. Letzten Meinungsumfragen vom vergangenen März zufolge liegt die PSOE mit 33,9 Prozent potentieller Wählerstimmen nur noch 0,6 Prozent vor ihrem größten Rivalen, der rechten „Volkspartei“ (PP) unter ihrem jungen Vorsitzenden Jose Maria Aznar. In einem triumphierenden Parteitag im vergangenen Februar hatte die Volkspartei zum ersten Mal seit der Demokratie in Spanien die Möglichkeit eines Wahlsieges ernsthaft ins Auge gefaßt.

Letztes Jahr hatten Teile der Sozialisten den Regierungschef bereits gedrängt, das positive Image der Weltausstellung in Sevilla und der Olympiade in Barcelona für Neuwahlen zu nutzen. Dieser hatte jedoch in der Hoffnung abgelehnt, die Partei werde ihre internen Streitigkeiten beilegen und die wirtschaftliche Situation des Landes werde sich gegen Jahresende bessern. Ein Irrglaube, den die Sozialisten nun bezahlen müssen. Die zunehmende Wirtschaftskrise hat zu einer Rekordzahl von 20 Prozent Arbeitslosen geführt, für deren Neueinstellung die Sozialisten keine glaubwürdigen Rezepte besitzen. Da die Volkspartei auch keine Rezepte für einen Aufschwung der Wirtschaft aufzuweisen hat, sitzen seit Dienstag die kleinen Parteien in den Startlöchern und warten auf eine Rolle als Zünglein in der Waagschale der künftigen Regierung.

Indirekte Gewinner der künftigen Wahlen werden vermutlich die NichtwählerInnen und die Linksunion Izquierda Unida sein. Möglicherweise werden die Grünen, die sich vor kurzem zu einer Einheitsliste zusammengefunden haben, erstmals im Parlament vertreten sein. Während die Opposition die Vorziehung der Wahlen begrüßte, kritisierten Gewerkschaftsvertreter, daß durch dieses Vorgehen das umstrittene Streikgesetz nicht mehr verabschiedet werde.

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