Weltsicherheitsrat macht russische Innenpolitik

■ Jelzin tauscht BosnierInnen gegen Sieg bei Referendum / UN-Konvoi bringt 800 Menschen aus Srebrenica / Sarajevo erneut unter schwerem Artilleriebeschuß

Genf/New York (taz) – Auf massives Drängen Rußlands hin hat der UNO-Sicherheitsrat die Entscheidung über verschärfte Wirtschaftssanktionen gegen Restjugoslawien erneut verschoben. Die Abstimmung soll nun am 26. April stattfinden – einen Tag nach dem Referendum der RussInnen über die Politik von Präsident Boris Jelzin. Die fünf blockfreien Entwicklungsländer, die Mitglieder des Weltsicherheitsrates sind, schlossen aber nicht aus, bereits auf der heutigen Sitzung des Gremiums eine Abstimmung zu erzwingen. Die Entscheidung über verschärfte Sanktionen war auf Grund einer geheimen Absprache zwischen den Präsidenten Clinton und Jelzin während ihres Gipfels im kanadischen Vancouver vom 5. bis zum 12. April verschoben worden. Clinton hatte sich damit die Sorge Jelzins zu eigen gemacht, eine Zustimmung Moskaus zu verschärftem Druck auf Serbien könne innenpolitischen Gegnern des russischen Präsidenten in die Hände spielen. Die erneute Vertagung wurde am Montag noch vor Beginn der Sicherheitsratssitzung von einem Sprecher des US-State- Department als beschlossene Tatsache verkündet.

Rußlands UNO-Botschafter Juri Woronzow erklärte, der „einzige Grund“ für Moskaus Verschiebungswunsch sei es, „Zeit für weitere Verhandlungen“ zu gewinnen. Nach Treffen mit dem selbsternannten „Präsidenten“ der bosnischen SerbInnen, Radovan Karadžić, und Serbiens Präsidenten Slobodan Milošević hat der russische Sonderbeauftragte Vitaly Tschurkin eine für die bosnischen SerbInnen vorteilhaftere Variante des Vance-Owen-Planes entwickelt. Der noch nicht veröffentlichte Vorschlag sieht statt der von Vance und Owen vorgesehenen Zuteilung von drei der zehn bosnischen Provinzen ein weitgehend zusammenhängendes Gebiet für die serbische Volksgruppe vor. Im Namen seines Landes sowie Marokkos, Pakistans, Dschibutis und der Kapverden nannte Venezuelas UNO-Botschafter Diego Arria die Verschiebung des Sicherheitsratsbeschlusses einen „gefährlichen Vorgang“. Die Art, mit der die erneute Vertagung zustande kam, sei „die falsche Botschaft an Belgrad“. Der Vorgang sei „ein erneuter Beweis für die Paralyse der internationalen Gemeinschaft“.

In UN-Diplomatenkreisen wird unterdessen befürchtet, daß bis zum 26. April zumindest die ostbosnische Stadt Srebrenica in die Hände serbischer Truppen fallen könnte. Enttäuscht über die erneute Verschiebung äußerten sich auch die beiden internationalen Vermittler, Cyrus Vance und David Owen. Andreas Zumach

Sarajevo (AFP/taz) – Ein weiterer Hilfskonvoi des UNO-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) traf am Dienstag nachmittag in Srebrenica ein. Die 12 Lastwagen verließen die Stadt kurze Zeit später wieder mit 800 Menschen, darunter 150 Verletzte oder Kranke. Nach Angaben des UNHCR sollen die Menschen, die bei dem Angriff am Montag verletzt wurden, in die nordostbosnische Stadt Tuzla gebracht werden. Bei dem Angriff am Montag waren dem UNHCR zufolge 56 Menschen getötet und 90 verletzt worden. In Srebrenica sitzen laut UNHCR zur Zeit zwischen 40- und 60.000 Menschen fest. Die bosnische Hauptstadt Sarajevo wurde am Montag erstmalig seit Inkrafttreten des Waffenstillstandes vor zwei Wochen von serbischer Artillerie unter Beschuß genommmen. Der Angriff begann kurz nachdem der Oberkommandierende der bosnischen SerbInnen, Ratko Mladić, vor JournalistInnen erklärt hatte, seine Truppen würden sich an den Waffenstillstand halten.