Aktion Gegenwehr - Let's go west

■ Nord-DGB: Zentrale Kundgebung gegen Tarifvertragsbruch in Hamburg / Wildwestmethoden bald auch im Westen?

in Hamburg / Wildwestmethoden bald auch im Westen?

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) macht gegen den Tarifvertragsbruch von Mecklenburg- Vorpommern mobil: In sieben Städten finden am 24. April um „fünf vor zwölf“ Großdemonstrationen statt. Zentraler Kundgebungsort für die fünf norddeutschen Küstenländer: der Hamburger Rathausmarkt. Die Hamburger Vize-Chefin des DGB-Nord, Karin Roth, zeigte sich gestern vor der Presse kämpferisch: „Es geht nicht um 26 Prozent mehr Lohn im Osten, sondern um die Abwehr des

1Angriffs auf das Tarifvertragssystem.“

Vor wenigen Wochen hatte „Nordmetall“ im Osten die Attacke auf die Tarifautonomie gestartet. Obwohl der 1990 mit der IG Metall als „Mustervereinbarung“ abgeschlossene Tarifvertrag noch mehrere Jahre Laufzeit hat, erklärte Nordmetall den Kontrakt für gekündigt. Begründung: Die Betriebe könnten die für 1993 vereinbarte Lohnerhöhung von 26 Prozent nicht zahlen. Durch die sollte eine Angleichung der Ostlöhne an

1Westniveau erreicht werden. Spitzfindige Argumentation: Wenn die Betriebe ökonomisch nicht in der Lage seien, die Vereinbarung zu erfüllen, entfalle die Geschäftsgrundlage des Tarifvertrags.

Für die Gewerkschaften ein Versuchsballon. Ziel: das gesamte Tarifgefüge in Ost und West aus den Angeln zu heben. Denn mehrere Ostbetriebe haben mittlerweile Haustarifverträge abgeschlossen, in denen die anvisierte Lohnerhöhung garantiert wurde. Das Geld ist also da. Karin Roth: „Es besteht die Gefahr, daß die Verbindlichkeit von Tarifverträgen nicht mehr gewährleistet ist.“ Die DGB-Chefin sieht schon jetzt Ansätze dafür, daß die Unternehmen in Deutschland „Wildwestmethoden“ wie in den USA einführen wollen. Das Motto: Tarifverträge gelten nur dort, wo die Gewerkschaften stark sind.

Der DGB möchte derartige Bestrebungen bereits im Frühstadium bekämpfen. Denn auch im Westen gebe es bereits Versuche, an der tarifvertraglich garantierten Lohnfortzahlung, der Arbeitszeitverkürzung oder dem Kündigungsschutz für Angestellte zu rütteln. Roths Diagnose: „Es geht um die Zukunft des Sozial- und Rechtsstaates.“

Obwohl die IG Metall Verbandsklage gegen die Tarifvertragskündigung eingereicht hat, kann nach Auffassung der Gewerkschaftschefin der Konflikt nur „politisch“ gelöst

1werden. Sie verweist auf den 13jährigen Rechtsstreit um den Einsatz von Beamten als Streikbrecher: „Wir können nicht 13 Jahre warten, um prüfen zu lassen, daß der Tarifvertragsbruch rechtswidrig ist.“ Der DGB baut vielmehr auf die Mobilisierung der Basis. „Wer versucht, die Tarifautonomie auszuhebeln, muß in seine Schranken verwiesen werden“, so Roths Verwarnung.

150 000 TeilnehmerInnen werden aus Niedersachsen, Bremen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zur „Aktion Gegenwehr“ in Hamburg erwartet. Schon jetzt macht sich die Vize- Chefin von 550 000 GewerkschafterInnen im Norden über eine härtere Gangart Gedanken: „Als nächster Schritt sind derartige Aktionen während der Arbeitszeit denkbar.“ Kai von Appen