Stadtwerke verschwiegen zweite SPD-Spende

■ Stadtwerke-Chef Czichon vor dem Untersuchungsausschuß / Spenden „im bescheidenen Umfang“ getätigt

Um „Promille-Beträge“ ging es, wenn die Bremer Stadtwerke „in bescheidenem Umfang“ für Kulturzwecke, soziale Initiativen und die SPD spendeten — was sind zwei Millionen Spenden in den Jahren 1983-1991 bei mehr als einer Milliarde Konzessionsabgabe an die Stadt? Mit solchen Vergleichen versuchte Stadtwerke-Vorstandschef Dr. Günther Czichon bei seiner Vernehmung durch den Stadtwerke-Untersuchungsausschuß die Bedeutung klarzumachen, die er der Spenden- Praxis in seiner Vorstandsarbeit zumaß: Mal wurden Spenden von Vorstand protokolliert, mal beschlossen und nicht protokolliert, mal ohne Summe im Protokoll erwähnt, mal am Rande der Vorstandssitzung angesprochen, mal aber auch von einem der Vorstandsmitglieder angewiesen, ohne daß der andere etwas davon wußte. Über Czichons Aufwendungen als schwedischer Honorarkonsul etwa gibt es keinerlei Vorstands-Beschlüsse. Daß die Bremer SPD 1991 3950 Mark bekam ohne Vorstandsbeschluß — hier läßt sich für Czichon keine bewußte Verdunklungsabsicht hineingeheimnissen: „Das sind ja keine Geschichten, die man verstecken muß.“ Wenn die Hans-Böckler-Stiftung um 3000 Mark bat und ohne weitere Begründung

Günther Czichon

4000 bekam — höchstens mit seiner „Tagesform“ kann Czichon

Mann im

Anzug

solche Unterschiede nachträglich erklären. Besonders großzügig muß er gestimmt gewesen sein, als die Falken 1984 1500 Mark zur Unterstützung streikender englischer Bergarbeiter haben wollten. Das stand dem Unternehmenszweck der Stadtwerke — die Interesse an biliger Kohle haben — diametral entgegen. Czichon erbittet „einen neuen Brief“, in dem diese Zweckbindung unterbleibt - der Brief kommt mit demselben Daten wie der erste Bittbrief, das Geld fließt.

Der Ritterhuder Bitte um Unterstützung für eine Bildungsmaßnahme wird entwprochen, weil der Bittsteller SPD-Fraktionsvorstand ist — und die Stadtwerke verkaufen ihr Gas nach Ritterhude. Die Ritterhuder Gemeinderäte bekommen allesamt Stadtwerke-Präsente — die politische Einflußnahme in Bereichen, in denen die Stadtwerke nicht Monopolunternehmen sind, sondern frei konkurrieren, sei allerdings Geschäftsgeheimnis. Für den Stadtwerke- Chef, der sich dem Ausschuß als Industrie-Boß präsentierte, waren die bescheidenen Spenden allemal gerechtfertigt: „bestenfalls Kontaktpflege“ sagte er zu einer kleineren Summe. Insbesondere die Bremer SPD mußte gepflegt werden. (vgl. Bericht im überregionalen Teil, Seite 5).

Um nicht unnötigen Spekulationen Nahrung zu geben, fehlte in Vorstandsprotokollen jegliche Angabe über die der SPD gespendeten Summen. Keinerlei Bitte um Spende und keinerlei Begründung fanden die Ausschußmitglieder für den schlichten Protokoll-Satz vom 19.12.1991, daß die Stadtwerke drei Jahre lang jeweils 30.000 Mark an die Bonner SPD spenden wollten. Czichon konnte auch gestern nur vorbringen, daß seit Jahren die SPD sich ganz im Sinne der Bremer Stadtwerke gegen die EG-Strompolitik wehrt: „Wir hatten die Kontonummer der SPD. Das genügt doch.“ Am 19.12.1991 beschlossen, flossen die ersten 30.000 Mark am 31.12.1991 auf das SPD-Konto ab.

Die Ausschußmitglieder, die sich durch hunderte von Seiten Akten gequält hatten, rieben sich erstaunt die Augen, als Czichin dann fast beiläufig einfließen ließ, 1992 seien dann die zweite Rate geflossen. Im März. Warum es darüber überhaupt keinen schriftlichen Hinweis gebe, mochte der Stadtwerke- Chef nicht zu erklären. Immerhin berichtete er, nach Aufflammen der Spenden-Debatte im Juni habe die Bonner SPD gebeten, den Betrag zurückzuzahlen — „insbesondere auch über Frau Fuchs“. Erst „nach geraumer Zeit“ sei das Geld zurückgeflossen. Warum weder Vorstand noch Aufsichtsrat noch Untersuchungsausschuß informiert worden waren, konnte Czichon nicht erklären. Auch in den Spendenlisten „Stadtwerke 1992“ ist kein Vermerk. Ob der Geldfluß in der Buchhaltung erfaßt ist, will Czichon prüfen lassen: „Mit Sicherheit sind keine Belege vernichtet worden. Jedenfalls hat es keinerlei Weisung gegeben.“

Dieser Spendenvorgang interessierte den Ausschuß-Vize Niederbremer (CDU) besonders, weil wenige Monate vorher die Bremer SPD 250.000 Mark von der Bonner SPD geliehen bekommen hatte, ohne daß darüber eine Rückzahl-Vereinbarung getroffen wurde. Zu dem naheliegenden Verdacht, daß die Bundes-SPD den Bremer Genossen eventuell einen Teilbetrag der Wahlkampf-Hilfe für den „Lieben Klaus“ stunden würden, wenn im Gegenzug reichlich die Stadtwerke-Gelder nach Bonn fließen, meinte Czichon diplomatisch korrekt: „Aus unserer Sicht war das garantiert nicht der Fall.“ Niemand sei an ihn mit der Bitte um diese 90.000-Mark-Spende herangetreten, „rein zufällig“ habe er diese Idee im Dezember — kurz nach der verlorenen Bürgerschaftswahl - in den Vorstand eingebracht.

K.W.