■ Verschollene Leguanart hat auf Jamaika überlebt
: Entdeckung bei Wildschweinjagd

Kingston/Jamaika (taz) – Seit einem halben Jahrhundert galt der Jamaika-Leguan weltweit als ausgestorben. Zu Unrecht, wie sich jetzt herausstellte. Durch Zufall entdeckte ein jamaikanischer Jäger im karibischen Urwald ein lebendes Exemplar der verschollenen Echse.

Zoologen der Universität Kingston fanden auf einer umgehend eingeleiteten Expedition 23 weitere Exemplare dieser raren Spezies. In dem entlegenen Urwaldwinkel der Karibikinsel, den kaum ein Mensch zuvor betreten hatte, stießen sie außerdem auf mehrere Eiablagestellen der urtümlich aussehenden Reptilien. Die zu den Pflanzenfressern zählenden Leguane sind nämlich trotz ihres drachenartigen Aussehens und ihrer Größe von 1,5 Metern ausgesprochen friedfertige Tiere. Sie hatten ursprünglich keine natürlichen Feinde auf Jamaika. Das änderte sich jedoch schlagartig, als Christoph Columbus die sonnige Karibikinsel entdeckte. Wegen ihres wohlschmeckenden Fleisches waren sie eine begehrte Jagdbeute der spanischen Entdecker und der ersten Siedler. Als Ende des letzten Jahrhunderts zunehmend verwilderte Haustiere in die Lebensräume dieser urigen Viecher eindrangen, begann das große Aussterben. Vor allem die frisch geschlüpften Reptilienbabies wurden Opfer der Katzen, Hunde und Mungos. 1940 wurde das letzte damals bekannte Rückzugsgebiet der Jamaika-Leguane in eine US-Militärbasis verwandelt. Der Versuch, die dort lebenden Tiere einzufangen und in Gefangenschaft zu züchten, scheiterte. Fortan galt der Jamaika-Leguan als ausgestorben. Trotz der überraschenden Wiederentdeckung ist die Existenz der Echsenart weiterhin bedroht. Ausgerechnet in ihrem letzten Rückzugsgebiet sollen zwei Städte gebaut werden. Der wahrscheinlich letzte Lebensraum der liebenswerten Exoten würde damit endgültig zerstört. Den jamaikanischen Naturforschern ist es gelungen, einige Leguaneier, die sie von der Expedition mitgebracht hatten, im Brutschrank auszubrüten. Ungeklärt ist bislang jedoch, ob sich die Jungen auf Dauer in Gefangenschaft halten und vermehren lassen. Inzwischen fordern Zoologen aus aller Welt, den letzten natürlichen Lebensraum dieser bedrohten Tiere zum Nationalpark zu erklären. Nur so läßt sich nach Ansicht der Experten verhindern, daß der Jamaika-Leguan für immer verschwindet. Text und Foto: Michael Blaschke