Judith nimmt Tribun Henning an die Hand

■ "Was sagst du dazu?" Doch auf die Fragen des gönnerhaften Bürgermeisters fällt ihr natürlich nix mehr ein

fällt ihr natürlich nix mehr ein

Judith war bei Henning. Die achtjährige Judith Freksa wollte den Bürgermeister kennenlernen, und der lud sie auch prompt ins Rathaus ein. Als die Schülerin gestern pünktlich um drei Uhr mit ihrem Vater erschien, war Henning Voscherau nicht da. Erste Lektion: Bürgermeister sind nie pünktlich. Eine halbe Stunde später saß Judith unter Blitzlichtgewitter mit Voscherau in seinem Dienstzimmer. Sie hatte ihm eine Zeichnung mitgebracht. Die Bildbeschreibung lieferte der Beschenkte selber: „Das ist typisch Hamburg, der Bürgermeister hält einen Vortrag, es sind nur drei Leute gekommen und draußen regnet es.“ Nachdem sein kleiner Fan brav erzählt hatte, daß sie in die zweite Klasse geht, mit 22 Kindern und einer Lehrerin, und daß ihre Freundin das „ganz toll“ findet, daß sie den Bürgermeister besucht, fragte der sie: „Warum muß es das Rathaus geben?“ Judith hatte keine Ahnung und der Bürgermeister erklärte: „Irgend jemand muß doch deiner Lehrerin das Gehalt überweisen und dem Schularzt ... für all das gibt es das Rathaus.“ Alles klar? Danach führte Voscherau seine Besucherin durch das Rathaus. „Nun gib mir mal die Hand. Du darfst ja sonst nicht mit fremden Männern mitgehen, aber mit mir darfst du.“ Im Senatssitzungssaal durfte die Schülerin auf dem Stuhl des zweiten Bürgermeisters Platz nehmen, um sich vom ersten anzuhören: „Wenn du dich richtig anstrengst, kannst du da vielleicht in 40 Jahren sitzen“. Wieder Blitzlichtgewitter. Schauplatz Kaisersaal. „An der Wand hängen lauter Bürgermeister, was sagst du dazu?“ Was soll sie dazu sagen? Judith schweigt lächelnd. Da kommt schon der nächste Vorschlag: Wir spielen Bürgermeisterin. „Willst du vom Balkon auf dein Volk herunterschauen? Stell dir vor, der ganze Platz ist schwarz von Menschen“, versucht Volkstribun Voscherau ihr einzuheizen. „Was sagst du nun?“ Aber Judith guckt nur auf die Tauben.

Zuerst sollte ja Marlene (7 Jahre) mit — schließlich kann sie so eine Führung für junge Untertanen besser beurteilen als die Alten. Aber verfolgt von einem Journalisten- und Fotografentroß mit Henning über rote Teppiche zu flanieren hätte sie wohl beklemmend gefunden. Und wenn, dann mit all ihren Freundinnen — aber das wäre ja nicht so fotogen gewesen. VM