Hausgemacht

KOMMENTAR

Hausgemacht

Die Justiz beklagt ihre Überlastung. Mutmaßliche Mörder müssten freigelassen werden, weil die Gerichte nicht in der Lage wären, den Angeklagten binnen sechs Monaten den Prozeß zu machen. Gerichtsverhandlungen platzen, weil die Beschuldigten wegen Personalmangels nicht aus dem Gefängnis in den Gerichtssaal gebracht werden können.

Ist die Justiz tatsächlich so überlastet oder belastet sie sich nur selbst? Da gibt es zum Beispiel ein Verfahren um einen demolierten VW-Bus von Zivilfahndern. Die Fahnder waren beim rechtswidrigen Abfilmen von Demonstranten von diesen ertappt und zur Rede gestellt worden. Als die Fahnder versuchten zu flüchten, fuhren sie einen Mann an und sich selbst die Autotür ab. Prompt bekam das Unfallopfer eine Anklage wegen Sachbeschädigung. An zwei Verhandlungstagen wurden sechs Zeugen vernommen, der Angeklagte schließlich freigesprochen. Doch die Staatsanwaltschaft konnte die Schlappe nicht verkraften, legte Berufung ein. So wird der Fall erneut ausführlich aufgerollt werden. Wenn sich Richter und Staatsanwälte verbissen an solche Bagatellverfahren klammern — von den Prozessen gegen Schwarzfahrer ganz zu schweigen —, liegt die Vermutung nicht fern, daß die Überlastung der Justiz hausgemacht ist. Kai von Appen

Bericht Seite 22