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Alle Senats-Wege führen nach Billwerder

■ Hamburger Behörden zeigen großen Appetit auf einen der letzten Freiräume der Stadt / Die Bewohner wollen ihre Ruhe

auf einen der letzten Freiräume der Stadt / Die Bewohner wollen ihre Ruhe

Billwerder ist hart umkämpft. Die Wirtschaftsbehörde will am Südrand des langen Straßendorfes an der Bille ein Gewerbegebiet errichten. Die Dorfbewohner wollen ihre Billwerder Landschaft nicht hergeben, und die mit der Planung der „Südostachse“ vom Hauptbahnhof bis Bergedorf beauftragte Stadtentwicklungsbehörde (Steb) will eine möglichst dichte Wohnbebauung entlang der Bille. Eines scheint bei all den vagen Plänen sllerdings schon fest zu stehen: Die offene Justizvollzugsanstalt Neuengamme soll nach Billwerder verlegt werden. In direkter Nachbarschaft der künftigen JVA leben schon seit Jahrzehnten Kleingärtner in sogenannten Behelfsheimen. Sie nutzten ihre ausgebauten Gartenlauben nach dem Krieg zunächst illegal, dann offiziell geduldet als feste Wohnungen. Die öffentliche Diskussion über die Verlegung der JVA Neuengamme hat für Aufregung bei den Siedlern gesorgt. Sie erfuhren, daß die Umweltbehörde nahe ihres Kleingartengeländes bereits Anfang der 80er Jahre eine erhöhte Schwermetallbelastung entdeckt hatte. „Die Grenzwerte für einige Schwermetalle waren geringfügig überschritten“, sagte Volker Hempel, Leiter der Bergedorfer Stadtplanungsabteilung auf Anfrage der taz. Das bedeute keine Gefahr für Gesundheit und Leben der dort Wohnenden aber einen unangenhmen Nachteil für die Planung. „Die STEB hat uns mitgeteilt, daß dem Wunsch des Bezirkes, den Streifen Kleingärten mit Behelfsheimen für Wohnzwecke auszuweisen, nicht gefolgt werden kann“, so Hempel. „Das bedeutet nicht, daß die Leute deshalb wegmüssen“, betont Christine Steinert, Leiterin des Bergedorfer Bezirksamtes. Auf dem Kleingartengelände sei nach dem Krieg der Boden aufgehöht worden, vielleicht mit Baggergut aus dem Hafen, wie in der Billesiedlung. Die Grenzwerte der Bodenbelastung für Wohngebieten sind überschritten. Die gelten aber nur für die Neuausweisung sogenannter reine Wohngebiete. Ein wenig mehr Schwermetall im Boden darf unter Schulen, Kirchen und Gefängnissen sein. Und das, obwohl ja auch in einer Justizvollzugsanstalt gewohnt wird, wenn auch zwangsweise. Die Umweltbehörde mißt jetzt auf dem künftigen Gelände JVA und auch in den Kleingärten noch mal genauer nach.

Die streitbare „Dorfgemeinschaft Billwärder an der Bille“, die jüngst ihr Anliegen mit Pferd und Wagen vor dem Rathaus demonstrierte, ermuntert Stadtplaner Hempel. Sie hätten gute Aussichten, ein Gewerbegebiet zu verhindern, denn verschiedene Gutachten würden ergeben, daß die Marschlandschaft in Billwerder „einer der hochwertigsten Freiräume ist, über die wir in Hamburg überhaupt noch verfügen“. Vera Stadie

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