■ URDRÜS WAHRE KOLUMNE
: Käsekuchenlächeln

URDRÜS WAHRE KOLUMNE

Käsekuchenlächeln

Nun will der Lenz uns grüßen. Die Biene strebt zu Pollen und Nektar und allenthalben wird geschnäbelt und gedingsbumst. Auch ADAC-Funktionäre und die Clearasil-Bürschlein der Jungen Union entdecken ihre Liebe zueinander und tun sich zusammen gegen das Tempolimit auf der bremischen Teilstrecke der A 1. In der kleinen Pressemitteilung des JU- Stadtverbands „Links der Weser“ dazu ist der argumentative Dünnschiß nicht weiter erwähnenswert: Beachtlich aber, daß in dieser pubertären Ausarbeitung zum Menschenrecht auf freie Fahrt in ganz wenigen Zeilen rund 2O ernsthafte Verstöße gegen Rechtschreibung und Grammatik untergebracht wurden, darunter auch so köstliche Prägungen wie „Automobielproduktionsstandorte“. Daß ein ernstzunehmender Mann wie der hiesige BMW-Chef Lutz Braken-Gülke demnächst mit diesen Manta-Mannis „über die Zukunft der in der Krise geratenen Industrie“ diskutieren will, darf durchaus als Beleg sozialen Mitgefühls mit den tendenziellen Analphabeten aus der CDU-Nachwuchsriege gewertet werden. Zu bezweifeln ist allerdings, daß die Mehr Gymnasien-Gebetsmühle der Union bei diesen Kids noch helfen kann...

Die verehrlichen Bürger Oberneulands, welche heuer ihre Äpfel und Juwelen durch schwarze Sheriffs zu schützen gedenken, seien höflichst daran erinnert, daß sie in ihrer Kampagne gegen die Wohncontainer für lüttje 2O Drogenabhängige so wortreich deren mangelnde Betreuung beklagten. Wie wär's also statt der Bezahlung von Wach-und Schließ-Söldnern mit der privaten Finanzierung einiger Therapeutenstellen aus Bürgersinn und Christenpflicht?

Wie schön! Alle Großveranstalter wollen künftig in Bremen der Ex-und Hopp-Mentalität abschwören und auf den Einsatz von Plastikbechern und —bestecken verzichten. Alle? Nicht alle: Die MacherInnen der Breminale machen sich's weiterhin auf den Müllhalden der Szenekultur gemütlich, jetzt auch als Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Und schieben zur Begründung dieser Sauigelei einmal mehr DIE LIEBEN KLEINEN vor, die sich am berstenden Mehrwegglas verletzen könnten. Noch nie von Over Protection und den fatalen Folgen für die zarten Janosch- und Lindgren- Seelen gehört?

Eine Gaststätte in Gröpelingen verkauft „Bierpässe“ mit zehn Getränkecoupons für 16 Mark. Der Normalpreis für diese gemütliche Feierabendmenge aber wäre 2O Mark, und so wirbt der Wirt freudestrahlend mit „4O Prozent Rabatt“. Als ein mathematisch versierter Gast ihn auf den Rechenfehler aufmerksam machen will, streicht der Gastronom unbekümmert die Null: „Klar, tschuldigung, sind nur vier Prozent.“ Der Mann dürfte seine Qualifikation als Kostenrechner für den senatorischen Planungsstab hinreichend belegt haben.

Nachdem der Liberalinski mit dem Konfirmandengesicht die Waller Kleingärtner schon mit der Verplanung von einigen hundert Parzellen für künftige Gewerbegebiete gegen sich aufbrachte, greift er nun auch noch nach dem Heiligen Boden des Freimarkts: Der Fluch von Gräfin Emma wird Claus Jäger dafür sicher sein. Wer schenkt diesem Hanswurst der Flächenplanung denn endlich mal ein Monopoly-Spiel zum strategischen Austoben zwischen Badstraße, Nordbahnhof und Schloßallee? Die Ereigniskarte „Du kommst aus dem Gefängnis frei...“ hat er als FDP-Mitglied ja ohnehin schon im Mitgliedsausweis perforiert zum Abreissen dabei.

Mormonenmissionare erkennt man am überkorrekten Anzug mit Krawatte aus der Schneiderei des Basardamen-Kränzchens von Salt Lake City ebenso wie am Käsekuchen-Lächeln der meist jungen Verkündiger. Begegnet mir aber doch gestern vor der Hauptpost ein Typ im schnieken Miami-Vice-Look, der in jedem amerikanischen Hardcore-Porno sicher stabilsten Eindruck gemacht hätte und fragt frontal mit swingender Westcoast-Stimme: „Wollen Sie das ricktige Gluck kennenlörnen? Dann mussen Sie bitte dies Buk läsn.“ Das Buch Mormon, indeed. Wenn jetzt auch noch die Hamburg- Mannheimer den Herrn Kaiser durch Helge Schneider oder Ringsgwandl ersetzt, glaube ich tatsächlich an die innovative Kraft des Marketings. Aber auf was ist dann noch Verlaß?

Ansonsten gilt:Nach dem Urlaub ist Bremen immer am schönsten!

Ulrich Reineking-Drügemöller