: Gib Gummi beim Bremsen
■ Professor Waller malt Autocrash samt Reparaturmöglichkeit an Wand von Reifenfirma
Die Emigholzens sind eine gestandene Firma, seit drei Generationen in Bremen ansässig, Fachmänner in Sachen Autoreifenreparatur, mit Hauptsitz in der Waller Utbremer Straße. Großvater war der Gründer, Vater Hans brachte es auf sieben Filialen, und Sohn Harald verkauft fleißig die Reifen im täglichen Geschäft.
Der zweite und jüngere und vielleicht ein wenig unbehaustere Sohn der Familie aber, Jens Emigholz, ist Mitglied im Förderverein der Kunsthochschule. Und kennt Professor Jürgen Waller, den großen Bremer Öffentlichkeitskünstler (Bunkerbemalung im Pastorenweg, Wandbild am Hotel zur Post, zum Beispiel). Nach 29 Jahren Einheits-Langweiler-Architektur fliegt nun ein echtes, ausgeschachtetes Auto in vollem Schwung über den Dachrand der Reifenwerkstatt, hinterläßt eine scharfe Bremsspur und einen unbeschädigten Hasen, dem es ausgewichen ist. Kunst am Bau, draufgemalt und mit Kran montiert vom Emigholz-beauftragten Kunstprofessor. „Waller Wand“, so soll, das möchte Vater Emigholz, die Installation heißen. Waller macht Walle schön.
Hans-Joachim Manske, Leiter der Städtischen Galerie, der selbst eine Reihe von stadtbaulichen Kunstwerken betreute, zieht weite Beziehungskreise in einer kleinen Eröffnungsrede, von den technikbegeisterten italienischen Futuristen und der autoliebenden amerikanischen Popart zur Bremer Kunst im öffentlichen Raum.
Professor Waller lehnt cool und stumm an der Wand des Empfangsraumes, und Vater Hans steht stolz neben seinem Sohn Jens, der ihm ähnlich sieht wie ein verspäteter Zwilling dem frühgeborenen.
„An ihren Häusern sollt ihr sie erkennen“ sagt Jens Emigholz mit ernsthafter Ironie, denn auch er hält eine Rede, über Wände im allgemeinen und besonderen. (Daß sie einen Raum umschließen, zumeist zu viert; und daß sie Kommunikation seien „mit ihrer Farbe oder ihrer Tapete“.) Und da muß man nun doch das Kunstwerk noch einmal genauer betrachten und noch einmal hinausgehen auf den Parkplatz. Ein Hase sitzt auf der Straße, ein Auto weicht ihm aus und rast damit offensichtlich in sein Unglück. Daneben aber, bisher noch nicht erwähnt, hat Jürgen Waller ja weitergemalt. Das Innere einer Autowerkstatt nämlich, in dem fleißig repariert wird. Was will uns das alles über die Firma Emigholz sagen?
„Autounfall? Nicht so schlimm! Emigholz kriegts wieder hin.“ — „Emigholz für Stadthasen — Stadthasen für Emigholz!“ — „Gib Gummi, Junge, beim Anfahrn und beim Bremsen — Emigholz gibt neue Reifen dran.“
Einen Autounfall habe es seit der Wandbemalung in der Nähe schon gegeben, sagt Emigholz der Ältere verschämt. Vielleicht, weil die „Waller Wand" so anziehend ist, wie einst die Loreley am Rhein? Nein, das ist gemein.
CoK
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen