Trügerische Hoffnung

■ betr.: "Indien verzichtet auf Geld", taz vom 2.4.93

betr.: „Indien verzichtet auf Geld“ (Narmada-Staudammprojekt), taz vom 2.4.93

Der Artikel hat für meine Begriffe den Unterton: mit dieser Entscheidung der indischen Regierung, ohne die Weltbank weiterzuarbeiten, haben sich die KritikerInnen ins eigene Bein geschossen. [...] Das Argument, mit einer Weltbankbeteiligung an solchen Großprojekten ist auch eine Einflußnahme auf die ökologisch-sozialen Auswirkungen gegeben, wird auch von der deutschen Seite immer wieder angegeben, um solche Projekte zu befürworten. Gerade der Bradford-Morse-Bericht ist da der beste Beweis, daß diese Hoffnung trügt.

Seit 1985 hat die Weltbank verschiedene Missionen nach Indien geschickt, es ist immer wieder auf die fehlende Umsetzung der Weltbankrichtlinien zu Umsiedlung und Umwelt hingewiesen worden, es hat reihenweise Empfehlungen gegeben, es hat Hinweise für klare Vertragsbrüche gegeben. Und es ist in den ganzen Jahren nichts passiert. Morse sagt das auch ganz deutlich: was bei Narmada passiert ist, liefert hinreichend Beispiele dafür, daß, egal was bei Missionen herauskommt, diese Empfehlungen oft kaum das Management der Bank erreichen, geschweige denn zur Umsetzung kommen. Was berechtigt also zu der Annahme, jetzt hätte das geklappt?

Die Weltbank hat überhaupt nicht die Kapazitäten und Fähigkeiten, ihre durchaus vernünftigen Richtlinien durchzusetzen. Über den Willen zur Umsetzung solcher Richtlinien kann darüber hinaus gestritten werden. Die Bank überfordert mit solchen Projekten auch ganz klar die Institutionen von Ländern wie Indien. Die Schlußfolgerung des BMZ, dann müssen die Richtlinien der Realität angepaßt werden, halte ich ebenfalls für falsch. Ansatz wäre eine grundlegende Reform der Weltbank und ein Abrücken von diesen Gigantoprojekten.

Es geht ja nicht nur um den Sardar-Sarovar-Damm (Narmada), sondern um einiges mehr. Eine Weltbankbeteiligung gilt international immer noch als Zeichen für bilaterale Geber, sich finanziell an Projekten zu beteiligen. Fehlt sie, wird es für das Projektland wesentlich schwieriger, Finanziers zu finden. Ich bezweifle, daß die indische Regierung es schafft, Sardar-Sarovar im geplanten Umfang zu bauen, geschweige denn die restlichen Dämme. Das enthebt natürlich nicht 676 Nichtregierungsorganisationen (NRO) weltweit der Verantwortung, weiterhin die indischen NROs in ihrer Arbeit und ihren Forderungen zu unterstützen. Diese 676 haben sich für den Rückzug der Weltbank aus dem Projekt eingesetzt. Und was die Prioritäten der indischen Regierung anbetrifft, 30 Millionen Menschen mit dem Stausee Trinkwasser zu beschaffen: selbst diese Zahl hat laut Morse keine wissenschaftliche oder sonstwie gearteten Standbeine. Maike Rademaker, Köln