Kein Fleisch passiert mehr die Schlagbäume

■ Polen, ČR, Slowakei und Bulgarien folgen Ungarns Importverbot aus der EG

Budapest (taz) – Der Handelskrieg zwischen der EG und Ungarn um Fleischimporte hat sich auch auf andere osteuropäische Länder ausgeweitet. Nachdem Ungarn letzten Donnerstag mit einem sofortigen Import- und Transitverbot für alle EG-Fleischprodukte und Lebendtiere auf einen entsprechenden Schritt der Gemeinschaft vom Vortag reagierte, schloß Polen am Freitag ebenfalls seine Grenzen für EG-Fleisch und -Tiere. Die Tschechische Republik, die Slowakei und Bulgarien zogen Anfang der Woche nach.

Die EG, die sich von ungarischer Seite die offenbar berechtigte Anschuldigung gefallen lassen mußte, unter billigem Vorwand ein Embargo verhängt zu haben, reagierte ihrerseits mit scharfen Worten auf die osteuropäische Rückoffensive. Rene Steichen, EG-Landwirtschaftsverantwortlicher in Brüssel, bezeichnete das Vorgehen der Visegrader Vier (Polen, Tschechische Republik, Slowakei, Ungarn) als völlig unakzeptablen und politisch motivierten Schritt. Die EG will allerdings am kommenden Dienstag über eine eventuelle Revision des Embargos beraten. Als Grund für ihr Importverbot, das für alle osteuropäischen Länder mit Ausnahme der Ukraine und Moldovas gilt, hatte die EG Fälle von Maul- und Klauenseuche in Italien angegeben, die offenbar infolge kroatischer Fleischimporte aufgetreten waren. Veterinärmedizinische Untersuchungen der EG waren zuvor sämtlich negativ verlaufen. Das Embargo gilt vorerst bis 10. Mai.

Mit dem formalen Schulterschluß der Visegrader Vier hat sich deren Einheit allerdings auch schon erschöpft. Ein Treffen zwischen den vier mittelosteuropäischen Ländern, auf dem über ein weiteres gemeinsames Vorgehen gegen die EG verhandelt werden soll, findet voraussichtlich erst heute statt. Anders als Ungarn reagierten die Tschechische Republik und die Slowakei weit weniger scharf, offenbar, um die Neuverhandlungen der Assoziationsverträge mit der EG nicht zu belasten.

Unterdessen machen sich neue Anzeichen für westlichen Protektionismus bemerkbar. Österreich, das sich dem EG-Fleischembargo umgehend angeschlossen hatte, verkündete gestern, Zement- und Kunstdüngerimporte aus Osteuropa einschränken und Anti-Dumping-Maßnahmen gegen tschechische und slowakische Landwirtschaftsmaschinenimporte ergreifen zu wollen. Keno Verseck