Alsterwasser mit Quecksilberzusatz?

■ Alsterdorfer Firma soll jahrelang Quecksilber und Flußsäure in die Alster geleitet haben / Beschuldigter klagt Behörden an

soll jahrelang Quecksilber und Flußsäure in die Alster geleitet haben / Beschuldigter klagt Behörden an

Hamburg, deine Chemieskandale. Nur eine Woche, nachdem auf dem Gelände der Chemikalien- Abfüllfirma „Abpack-Altona“ Giftfässer mit 17 000 Litern Chromsäurehydrid sichergestellt wurden, glauben die Behörden, ein neues Umweltverbrechen aufgeklärt zu haben. Der Alsterdorfer Leuchtreklame-Hersteller „Neon-Werner“ soll jahrelang hochgiftige Chemieabfälle in die Alster eingeleitet haben, Sondermüll wurde dort nach Polizeierkenntnissen als Bauschutt getarnt entsorgt. Firmen-Eigner Gerhard Werner aber hält dagegen: „Die Anschuldigungen sind haltlos, die Behörden sind über alle Einleitungen seit Jahren informiert.“

Ein heißer Tip eines langjährigen Mitarbeiters der seit 1897 bestehenden Firma hatte die Polizei auf die Giftspur geführt. Seit mindestens fünf Jahren, so war den Ermittlern zugetragen worden, leitet das Leuchtstoffunternehmen am Deelbögenkamp über ein geheimes Abflußrohr mit Quecksilber und Flußsäure versetztes Wasser direkt in die Alster. Am Donnerstag vormittag schlugen die Beamten zu. Punkt 9.30 Uhr betraten sie mit einem Durchsuchungsbefehl in der Tasche unangemeldet die Alsterdorfer Traditions-Firma. Im Schlepptau Mitarbeiter der Umweltbehörde und des Bezirksamtes Hamburg-Nord. Die waren erst am Tag zuvor von der Umweltpolizei über den bevorstehenden Einsatz informiert worden: „Halten Sie sich bereit, wir planen da eine Durchsuchung.“

Die Ermittler fanden nicht nur das vermeintliche Giftrohr. Nach Durchsicht der sichergestellten Firmenakten ist sich die Polizei sicher: „Hier wurde nach unseren Erkenntnissen Sondermüll mit normalem Bauschutt vermischt und so unvorschriftsmäßig entsorgt.“ Außerdem wollen die Beamten vor Ort festgestellt haben, daß auch Schmutzwasser aus Küche, Dusche und Bad des Unternehmens ungeklärt in die Alster eingeleitet wurde.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen Unternehmenschef Gerhard Werner wegen schwerer Umweltgefährdung, Gewässerverunreinigung und umweltgefährdender Abfallbeseitigung. Laut Umweltbehörde wurde eine Anordnung erlassen, nach der Werner sämtliche Einleitungen in die Alster untersagt werden. Der Geschäftsführer weiß allerdings davon noch nichts: „Ich habe bislang keine solche Anordnung erhalten.“

Gerhard Werner erhebt seinerseits schwere Vorwürfe gegen Polizei und Behörden: „Diese rufschädigenden Vorwürfe sind aus der Luft gegriffen.“ Werner weiter: „Ich kann beweisen, daß ich nie Quecksilber in die Alster geleitet habe und den Sondermüll, der hauptsächlich aus ausgedienten Neonröhren besteht, ordnungsgemäß entsorgt habe.“

Auch die für die Reinigung der Röhren benötigte Flußsäure sei nach Verwendung korrekt entsorgt, das Wasser aus Bad und Dusche in eine Fäkaliengrube geleitet worden, die für die Produktionsabwässer aber zu klein sei. Da das

1städtische Grundstück, auf dem die Firma seit 32 Jahren ihren Sitz hat, über keinen Sielanschluß verfügt, habe er das für die Produktion der Leuchtreklame benötigte Wasser in die Alster geleitet. Dieses habe, so Werner, stets „Trinkwasserqualität“ gehabt.

Laut Werner sind die zuständigen Behörden seit Jahren über alle Einleitungen des Betriebs in die Alster informiert. Bereits Anfang der achtziger Jahre will der Firmenboß eine detaillierte schriftliche Auf-

1stellung aller Alster-Einleitungen den Behörden vorgelegt haben, die heute noch Gültigkeit besitzt. „Bereits seit 20 Jahren versuche ich die Liegenschaft zu bewegen, mir einen Sielanschluß auf ihrem Grundstück einzurichten, damit ich kein Wasser in die Alster pumpen muß.“ Die Liegenschaft aber sah keinen Grund zu handeln, obwohl, wie Werner erst jetzt erfuhr, keinerlei Brauchwasser in die Alster gepumpt werden darf.

Die unerlaubte Einleitung aber

1dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein. Umweltbehörden-Sprecher Kai Fabig räumt ein: „Es gibt keine flächendeckenden Kontrollen über die Einleitungen der Alsteranlieger.“ Der Grund: Personalnot in der Umweltbehörde. Die führt dazu, daß sich die Behörde „in der Regel auf die Kontrolle von Großbetrieben“ beschränkt. Kleinere Unternehmen und Privathaushalte können so die Alster relativ risikolos als Abflußkanal nutzen. Marco Carini