Bremische Anekdoten

■ Zwei von zweihundert

Bremische Anekdoten

Zwei von zweihundert

JANDOKTOR

Jandoktor (der „prachtvolle, weißbärtige, sagenhafte hagere, mit derber Weltweißheit begnadete Arzt, dessen Bild im bremischen gedächtnis mit unzähligen Anekdoten bekränzt ist, Jandoktor) hatte es einmal bitter schwer mit einer Patientin. Sie legte sich nämlich, jung und drall wie sie war, ins Bett und entdeckte an sich nacheinander alle Merkmale aller ihr bekannten tödlichen Krankheiten. Es waren nicht wenige, denn sie besaß das Buch „Die Frau als Hausärztin“. „Herr Doktor“, sagte sie eines Tages,“nu bringen se mich aber doch bald nach'm Kirchhof hin. Nu hab ich dscha Typhus.“ Jandoktor überlegte einen Augenblick, nahm seinen Überzieher über der Brust zusammen (er war ihm zu weit geworden, so daß bequem noch ein zweiter Jandoktor darin Platz gehabt hätte) und kletterte gestiefelt, wenn auch nicht gespornt zu der Kranken ins Bett. „Zo, mein Deern“, sagte er, als er sich nach einer halben Minute wieder herausbegab,“meinst du dummes Mensch nu wohl, daß ich das getan hätte, wenn du wirklich Typhus hättest?“ Die Kranke genas.

KUNST

In den Wallanlagen, zwischen dem träumerischen Stadtgraben und jener milden Bodenerhöhung, die ein zügelloser lokalpatriotischer Ehrgeiz zum „Theaterberg“ aufgebauscht hat, steht der „Rosselenker“, eine hübsche Bronzegruppe des Bildhauers Tuaillon: Ein schlanker, in anmutigem Naturzustand dargebotener Jüngling, der ein munteres Roß am Zügel führt. In den Schweif des Pferdes ist aus Gründen, die wir nicht anzugeben vermögen, ein Knoten geschlagen. Vor dieser Gruppe steht ein durch Neigung eng verbundenes jungendliches bremisches Menschenpaar.

„Was soll das nu?“ äußert sich der weibliche Teil des Paares abschätzig.“Da kann ich mir nix bei denken.“ Der männliche Teil glaubt sich verpflichtet, den Einwand durch eine Betrachtung von höherer Warte sachverständig zu entkräften. „Das is Kunst“, antwortet er belehrend. „Kunst?!“ Der weibliche Teil stößt ein verächtliches Schnauben aus. „Das nennst du Kunst? Mit so'n vertüdelten Steert?!“

Aus: K. Lerbs,

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