Vorschlag

■ „Eichmanns letzte Nacht“ im Fliegenden Theater

Argentinien 1960: Adolf Eichmann wird auf offener Straße vom israelischen Geheimdienst entführt. Seit Kriegsende war er dort mit seiner Familie untergetaucht. In Israel wird ihm der Prozeß gemacht, am 31.5. 1962 wird er hingerichtet. „Man hat mich mißbraucht. Die Schuld lag bei der Partei“, waren Eichmanns Hauptverteidigungsargumente. Ob er wirklich bis zum Ende nicht begriffen hatte, ob er tatsächlich in seiner monströsen Gedankenwelt so aufgegangen war, daß ihm jedes Maß an ethischen und humanitären Moral- und Rechtsbegriffen abhanden gekommen ist, oder ob alles eine großangelegte Finte für Strafmilderung war, beschäftigt bis heute Historiker und Literaten.

Andreas Gruhn, gelernter Schriftsetzer und Schauspieler, versucht in seinem Stück „Nun ruh' ich wohl – Eichmanns letzte Nacht“ eine Vermittlung und läßt offen, was nie ganz zu klären sein wird. In der Koproduktion mit dem Gerhart-Hauptmann- Theater Zittau spielt der Autor selbst Adolf Eichmann. Die letzte Stunde des ehemaligen SS-Sturmbannführers, der im Dritten Reich die Deportation und Ausrottung der im deutschen Machtbereich lebenden Juden organisierte – als Monolog.

„Ich hätte mich nie in die Nesseln einer eigenen Entscheidung gesetzt, nie!“, sagt ein Saubermann, der vom Schreibtisch aus zum Täter wurde. Er rechtfertigt sich, erzählt von Juden, die seine Freunde waren, von seiner Familie, die er über alles liebt, von dem Unrecht, was ihm, dem Befehlsempfänger angetan wird. Regisseur Andreas Neu legt Tonbandsequenzen zwischen den gesprochenen Text, Rückblenden, die von einer unmenschlichen Bürokratie berichten und die Aussagen Eichmanns als – milde ausgedrückt – falsch entlarven.

„Tick-tack, tick-tack“ spricht der Wecker auf dem Tisch in der Zelle, die Todesstunde rückt näher. Andreas Gruhn läßt diesen Eichmann wie eine Maschine handeln. Eichmann, der Ordnungsfanatiker, den jede Abweichung aus der täglichen Routine schon zur Verzweiflung trieb, wienert noch einmal seine Zelle, ein Bild, sehr plakativ und doch schaurig. Hier steht ein Monster Mensch, der einen letzten Brief schreibt an seine Familie, seine Söhne lobt und auf sein „gutes“ Ansehen bedacht ist.

Für „schüchtern“ hält er sich, natur- und kinderlieb, singt Schuberts „Winterreise“, deren Traurigkeit er problemlos für sich mißbraucht. Erst, als er noch einmal sein Geständnis liest, brechen Emotionen hervor, Wut über diese Lügen, wo er doch kein Antisemit gewesen sei und Hitlers „Mein Kampf“ nie zu Ende gelesen hätte. Andreas Gruhn und Andreas Neu ist ein intensiver, eindringlicher Theaterabend gelungen, der einem den Applaus am Ende fast verbietet. Und das nicht zuletzt, weil Eichmann mit einem letzten, pathetischen Gruß an Deutschland seinem Henker entgegentritt. apo

Weitere Vorstellungen: 17., 18., 21.–25. April, 20.30 Uhr im Fliegenden Theater, Körtestraße 17, Kreuzberg