Opalschürfen im australischen Outback

Kleine Fluchten ins Land der realistischen ungeahnten Möglichkeitern  ■ Von Caro Wenzel

Gestern war mal wieder so ein Tag zum Wegwerfen – grau in grau, naßkalt. Nerverei am Arbeitsplatz, Ärger mit dem Vermieter. Frage mich frierend, warum ich eigentlich hier bin.

Fahre im Geiste – wie real vor sechs Wochen – von Adelaide 960 Kilometer Richtung Nordwesten, den heißen Wüstenwind im Gesicht.

Vor meinem geistigen Auge wird in der endlosen, fast baumlosen Ebene eine überdimensionale Maulwurfskolonie sichtbar. Angekommen! – dort, wo noch ungeahnte Möglichkeiten bestehen.

Die Rede ist von Coober Pedy, einer der skurrilsten Siedlungen in Südaustralien. Hier gibt es die größten Opalvorkommen der Erde; über 80 Prozent der gesamten Opalfunde der Welt werden in diesem Nest im australischen Outback gemacht. Und obwohl seit 1916 schon geschürft wird, schätzt man, daß bisher kaum zwei Prozent der Opale, die in diesem Gebiet vorhanden sind, abgebaut wurden.

„Coober Pedy“ stammt aus der Sprache der Aborigines und bedeutet soviel wie „Erdloch des weißen Mannes“. Die „Maulwurfshaufen“ sind die Abraumhalden unzähliger Stollen und Gänge – und die bis zu 30 Meter tiefen Schächte dazwischen fordern jedes Jahr ein paar Opfer.

Die Landschaft ist durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Jedenfalls sollte man nicht im Dunkeln mit zuviel amber fluid (Bier) intus hier herumlaufen und auch tagsüber tunlichst schauen, wohin man seinen Fuß setzt. Nicht nur wegen der tiefen Löcher, sondern auch wegen der Schlangen ...

Ansonsten sind die Risiken für Selfmademen (und zunehmend auch -women) gering: Ein 50-Meter-Areal kann ein Jahr lang für umgerechnet 50 Mark gemietet werden, Schürfrechte inklusive. Freistil ist dabei angesagt.

Allerdings sind die, die es sich leisten können, vom anstrengenden noodling (Buddeln von Hand) abgerückt und arbeiten statt dessen mit Bohrmaschine und „Staubsauger“.

10 bis 20 Meter tief muß man schon graben, denn die Opale finden sich dort, wo Sandstein- auf Tonerde-Schichten stoßen.

Hard yakka! (Harte Arbeit!). Aber der Arbeitsplatz unter der Erde ist im Angesicht der über 50 Grad im Schatten oben fast luxuriös – vollklimatisiert, wenn auch ziemlich staubig. Die Arbeitszeiten bestimmen Sie selbst.

Und auch das Wohnen ist in Coober Pedy kein Problem: Aufgrund der Hitze sind die meisten Wohnungen unterirdisch angelegt. Für etwa 1.000 Mark kann man sich ein Apartment ausheben. Statisch vollkommen sicher aufgrund des gipshaltigen Gesteins, zudem wohltemperiert – keine Klimaanlage im Sommer und auch keine Heizung in den kalten Wintern unter null Grad sind nötig. Regale und Schränke in die Wand gemeißelt – fertig ist das Domizil. Der Phantasie sind dabei keinerlei Grenzen gesetzt.

Und bei Aus- und Anbauten greifen Sie einfach zur Hacke. Sie stoßen dabei garantiert nicht auf Proteste des Vermieters, sondern eher auf ein paar Halbedelsteine ...

Die Fundwahrscheinlichkeiten sind hoch, 1989 wurde ein 5-Millionen-Dollar-Opal gefunden. Auf jeden Fall größere Chancen und höhere Gewinne als beim Lottospielen hierzulande!

Chinesische Opaleinkäufer gehen ein und aus in Coober Pedy, Käufe bis zu einer halben Million Dollar werden per Handschlag getätigt. Deutsche Stimmen, italienische Pizza, ein griechischer Opalladen – etwa 50 Nationen wirbeln in dem 4.000-Einwohner-Nest durcheinander. Multinationalität inmitten der Wüste ...

Fürs Amüsement ist auch gesorgt, es gibt unterirdische Bars, Kneipen, Geschäfte, Hotels und auch zwei Katakomben-Kirchen. Obwohl Coober Pedy back of bourke (hinterm Mond) liegt, bestehen genug Möglichkeiten, to hop into the booze (ein paar Bierchen zu zischen). Das ist für Australier sehr wichtig ... Fosters, das berühmte australische Bier, gibt's reichlich, no worries!, knapper ist das Wasser – es wird durch eine mit Sonnenenergie betriebene Entsalzungsanlage gewonnen und ist rationiert.

Wenn Sie jetzt also beim Blick aus dem Fenster, auf Ihr Konto oder Ihren Mietvertrag mit dem Gedanken spielen sollten: Schürfstelle für knapp 50 Mark, Bau einer Eigentumswohnung 1.000 Mark, keine Heizkosten ... Und freie Fahrt für freie Bürger, denn Benzin ist in Australien traumhaft billig (70 Pfennig pro Liter). Das teuerste an der Schürfsache ist die Ausrüstung: Wenn Sie „professionell“ mit Bohrmaschine und blower (Staubsauger) arbeiten wollen, kostet Sie das zunächst einmal 30.000 bis 50.000 Mark. Der Wiederverkaufswert der Geräte ist jedoch hoch und diese Investition somit weniger riskant als die Gründung einer GmbH in Deutschland...

Außerdem besteht keine Gefahr, durch irgendwelche Großkonzerne geschluckt zu werden: maximal vier Leute dürfen ihre claims gemeinsam in eine Firma einbringen. Große Gesellschaften haben hier also keine Chance.

Do it yourself ... Have a go! (Versuch's einfach mal!), wie der echte Aussie sagen würde.

Und jetzt frage ich mich ernsthaft, warum ich nicht dortgeblieben bin. Tja, wissen Sie: Im australischen Slang heißt das Outback „never never“. Mir ist zwar warm geworden beim Gedanken an die Wüste, aber es war wirklich ein bißchen sehr heiß in Coober Pedy. Und ziemlich staubig. Es gab Unmassen von mozzies (Moskitos). Der unverständliche Slang der Aussies ist gewöhnungsbedürftig.

Und – ein ganz entscheidender Punkt – ich mag kein Fosters-Bier (incredible!). Und ganz ohne booze („Stoff“) wird es auf Dauer in den Kneipen dort recht langweilig. Jeden Abend unterirdisch vor der idiot box (Glotze) zu verbringen, das liegt mir auch nicht.

Ja, mir ist warm geworden beim Gedanken an die Wüste, aber ich bin doch ganz froh, hier zu sein. Wenigstens regnet es ab und zu mal. Der Vermieter ist ja eigentlich ganz nett. Vor meiner Wohnungstür hausen keine Giftschlangen und Skorpione. Und es ist Frühling!