Sozialisten ohne Macht und Ideen

■ Portugals PS-Spitze feiert den 20. Gründungstag ihrer Partei in Bad Münstereifel, wo die SPD Geburtshelferin war

Lissabon (taz) – Er selbst nennt sich gern „Präsident für alle Portugiesen“. Mário Soares, wohlgenährt und pausbäckig, gefällt sich als Staatsmann, der über den Dingen steht. Und er läßt keine Gelegenheit aus, diese Rolle zu spielen: Als Denker hinterm Schreibtisch, umgeben von Büchern und Bildern anderer Männer, die auch Politik machen. Als Volkstribun, der beim Fußball-Pokalfinale auf der Ehrentribüne des Stadions thront. Die PortugiesInnen mögen ihren Staatspräsidenten. Umfragen zufolge ist er mit Abstand der beliebteste Politiker des Landes. Nosso bochechas nennen ihn zärtlich spöttelnd die Frau und der Mann auf der Straße – „unser Pausbäckchen“.

Seit 1986 ist Soares Staatspräsident. Zuvor leitete er – damals auch Generalsekretär der Sozialistischen Partei (PS) – drei Regierungen als Ministerpräsident: ein Minderheitskabinett seiner eigenen Partei, dann ein Regierungsbündnis mit den Christdemokraten und schließlich eine Koalition mit den wirtschaftsliberalen Sozialdemokraten (PSD). Heute regiert die PSD unter Führung von Regierungschef Ánibal Cavaco Silva allein, mit absoluter Mehrheit, und die Sozialisten drücken seit mehr als sieben Jahren die harten Bänke der Opposition.

Vor 20 Jahren, am 19. April 1973, zur Zeit der faschistischen Diktatur in Portugal, war Soares einer von 27 PortugiesInnen (26 Männer und eine Frau), die die Sozialistische Partei im Exil gründeten. In einem Haus und mit Hilfe der SPD-nahen Friedrich-Ebert- Stiftung in Band Münstereifel bei Bonn.

Am Montag will Soares in Bad Münstereifel das zwanzigjährige Jubiläum der PS feiern. Und mit ihm die gesamte Führung der Partei. Mitfeiern werden auch die Genossen von der SPD, zu denen die portugiesischen Sozialisten bis heute gute Beziehungen pflegen.

„Mário Soares hat es verstanden, noch im Exil ein großes Kontakt-Netz zu sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien in ganz Europa aufzubauen. Diese Kontakte waren mitentscheidend für den Erfolg im Kampf gegen die faschistische Diktatur in Portugal“, erinnert sich Pedro Coelho, der 1973 Generalsekretär der PS im Untergrund war. Diktator Salazar hatte Portugal jahrzehntelang von Europa isoliert. Sein Motto lautete: „Orgulhosamente sò“ – „stolz und allein“. „Unsere Devise hieß dagegen: Stolz und von ausländischen Freunden begleitet“, sagt Coelho.

Heute ist die Lage der PS desolat. Von den 60.000 Parteimitgliedern zahlen 30.000 keine Mitgliedsbeiträge. Schlimmer noch: Der Partei fehlen die Ideen. Im Parteivorstand haben die Technokraten das Ruder in der Hand – genau wie in der Regierung. Bei der letzten Parlamentswahl im Oktober 1991 erreichte die PS 29,3 Prozent der Stimmen – immerhin 7,1 Prozent mehr als vier Jahre zuvor. Doch die Regierungspartei PSD brachte das nicht in Gefahr. Die Enttäuschung der Sozialisten war so groß, daß sie ihren damaligen Generalsekretär Jorge Sampaio, der auch Bürgermeister von Lissabon ist, abwählten.

Sein Nachfolger ist der 43jährige Ingenieur António Guterres. Auch der tut sich schwer. Zwar entfaltete er „hektische Aktivitäten“, doch ihm fehle eine „strategische Vision“, urteilte die liberale Wochenzeitung Expresso. Die PS ist als Opposition so harmlos und die Regierungspartei PSD, die den gesamten Verwaltungsapparat mit ihren Mitgliedern durchsetzt hat, so übermächtig, daß sich der Begriff von Portugal als „Orangen- Staat“ fest etabliert hat. Orange ist die Farbe der PSD – dagegen verblaßt das Rosa der PS.

Eine effektivere Oppositionsrolle spielt da schon eher Staatspräsident Mário Soares. Während Regierungschef Cavaco Silva Portugal lieber heute als morgen zu einem „Land des 21. Jahrhunderts“ machen will, läßt Soares keine Gelegenheit aus, um auf die von der hastigen Modernisierung Vergessenen aufmerksam zu machen. Zuletzt bei der „Presidência Aberta“, der „Offenen Präsidentenschaft“ in Lissabon. 14 Tage lang war Soares durch die Viertel der Vorstädte der Metropole gezogen und hatte sich die Sorgen der Menschen angehört: Die der Rentnerin beispielsweise, die von umgerechnet 250 Mark im Monat leben muß. Oder die des Immigranten aus Angola, der in einer Baracke lebt, ohne elektrisches Licht und fließendes Wasser. Die Regierung kümmere sich nicht um die „von der Modernisierung an den Rand Gedrängten“, kritisierte Soares. Die PSD warf ihm vor, das Oppositions-Geschäft der Sozialisten zu besorgen. Soares hielt dagegen, er sei auch der Staatspräsident der Armen. Eben der Präsident aller Portugiesen. Theo Pischke