Frankreich bremst Gatt aus

Erneute Pariser Agrar-Blockade oder nur innenpolitische Kraftmeierei der Regierung Balladur? / Frustration in Gatt-Zentrale  ■ Von Andreas Zumach

Genf (taz) – Der Kompromiß zwischen der EG und den USA über Agrarhandel hielt nur wenige Monate. Frankreich fordert Neuverhandlungen der Ende 1992 im Rahmen der Uruguay-Runde erzielten Vereinbarung. In der Genfer Gatt-Zentrale wurde gestern mit Pessimismus oder mit der Hoffnung, es handele sich lediglich um innenpolitisches, taktisches Mannöver der neuen französischen Regierung, reagiert.

Bei der Vorstellung seines Regierungsprogramms hatte der konservative Premierminister Edouard Balladur die Vereinbarung, die eine Reduzierung der Subventionszahlungen an EG-Bauern um rund 36 Prozent vorsieht, als „ungültig“ bezeichnet und erklärt: „Wir müssen erneut verhandeln, im Agrarsektor und in anderen Bereichen des angestrebten neuen Welthandelsabkommens, damit die Regeln des internationalen Wettbewerbs fairer werden.“

Am Genfer Sitz des „Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens“ (Gatt) stießen die Äußerungen Balladurs auf „wachsende Frustration“. Die anderen 100 Gatt-Staaten warteten „zunehmend ungeduldig“ auf die „endgültige Beilegung“ der Agrarstreitigkeiten zwischen Washington und Brüssel – denn davon hängen Fortschritte in den anderen Verhandlungsbereichen ab.

Schon die sozialistische Vorgängerregierung hatte durch die Drohung mit einem Veto im letzten Jahr eine Einigung der zwölf EG- Staaten auf eine gemeinsame Agarposition und damit die Vereinbarung mit Washington monatelang verzögert. Aus Rücksicht auf die innenpolitische Position der Sozialisten und von Präsident Mitterrand hatten Frankreichs elf EG-Partner sich immer wieder hinhalten lassen. Doch nach dem überwältigenden Wahlsieg der konservativ-bürgerlichen Parteien wurde erwartet, daß Frankreich seine Bremserrolle endlich aufgibt. Balladur machte seine Äußerungen vor dem Parlament nur Stunden nachdem der Präsident des größten französischen Bauernverbandes, Luc Guyau, die Vereinbarung zwischen EG und USA als „von den Amerikanern geschrieben“ bezeichnet hatte.

Für die Clinton-Administration könnten sich Balladurs Äußerungen als Störfeuer erweisen für den Versuch, den Kongreß zu einer Verlängerung des bisher bis 1. Juni befristeten Uruguay-Verhandlungsmandats bis zum 15. Dezember zu bewegen. Erhält Clinton diese Fristverlängerung, müßte er dem Kongreß bis zu diesem Datum ein in allen Bereichen fertig ausgehandeltes Gatt-Abkommen vorlegen. Dies ist nur realistisch, wenn bis zum Juli eine endgültige Vereinbarung über die Agrarfragen erzielt ist.