Wir könnten Srebrenica halten

■ Enver Hadzihasanovic, Kommandant des 3. Korps der bosnischen Armee, zur militärischen Situation

taz: Die militärische Situation scheint gegenwärtig in Zentralbosnien und auch im Raum Tuzla relativ stabil, in Sarajevo sehr, sehr kritisch und in den Enklaven einschließlich Srebrenica geradezu dramatisch. Wie ist Ihre Beurteilung der Lage?

Enver: Das größte Problem ist der Mangel an Waffen und Munition. Srebrenica und die Enklaven in Ostbosnien können gehalten werden, wenn wir genug Waffen haben. Denn wir haben keine Zweifel an unseren Kämpfern – diese Gebiete werden von uns trotz der großen Übermacht des Gegners nicht verlassen. Wir haben dort zwar Raum verloren, andererseits aber in Ostbosnien auch einige Gebiete um Tuzla herum zurückgewonnen.

Heißt das, daß Sie militärisch in der Lage wären, die Enklaven wie die um Srebrenica zu befreien?

Im Moment beachten wir den Friedensplan von Owen und Vance. Wir antworten aber dort, wo die Aggressoren einen Durchbruch versuchen. Über Operationen in Ostbosnien können wir reden, wenn der politische Prozeß in New York beendet ist. Die serbische Seite hat dieses Dokument noch nicht unterschrieben. Sie wird allerdings die Aggression keinesfalls beenden, ob sie nun unterschreibt oder nicht.

Das klingt sehr optimistisch, dabei haben serbische Streitkräfte selbst im Flughafengebiet von Sarajevo kürzlich Gebiete erobert. Dieser Umstand führte zu der Einschätzung, daß die Serben jederzeit die Stadt einnehmen könnten.

Ich habe in Sarajevo siebeneinhalb Monate, also von Anbeginn des Krieges an, gekämpft. Über die Organisation der Verteidigung Sarajevos werden einmal Bücher geschrieben werden, schon jetzt wundern sich die Mitlitärfachleute. Ich sage nur dies: Der Aggressor kann die Stadt niemals einnehmen, er kann sie nur mit Artillerie beschießen. Um sie einzunehmen, bräuchte er mehr Soldaten, als er hat.

Der Flughafen ist von UNO- Truppen besetzt, er liegt wie ein Riegel zwischen Sarajevo und dem bosnisch-muslimanischen Gebiet. Hätten Sie die Kontrolle über den Flughafen, dann könnten Sie die Stadt doch öffnen.

Die UNO-Truppen sind aber auch ein Hindernis zwischen den serbisch besetzten Gebieten.

Wie beurteilen Sie die Luftüberwachung der Nato unter militärischen Aspekten?

Sie bedeutet mir sehr viel. Der Schutz des Luftraums wird nämlich dann wichtig, wenn der Aggressor eine größere Offensive starten will. Dann braucht er Unterstützung durch seine Luftwaffe. In dieser Situation ist die Kontrolle des Luftraums durch die Nato- Flugzeuge außerordentlich bedeutsam.

Es sieht ja nun tatsächlich so aus, als sollte das Waffenembargo gegen Bosnien aufgehoben werden.

Ja, endlich, wir haben dies von Anfang an gefordert, denn mit leeren Händen kann man nicht gegen eine voll ausgerüstete Armee kämpfen. Wir brauchen Waffen aller Art, vom Gewehr bis hin zur Artillierie, Panzer, Fahrzeuge etc.

Ich hätte eigentlich erwartet, daß Sie zuerst Defensivwaffen gegen Panzer und Hubschrauber fordern...

Bisher gab es den Kampf des David gegen den Goliath, und es ist selbstverständlich, daß wir dem Gegner entsprechend seiner Ausrüstung entgegentreten wollen. Interview: Erich Rathfelder