: „Auf massives Drängen des US-Gesandten“
■ Unter US-Druck meldete die Berliner Justizpressestelle die Libyen-Connection
Vor der 29. Großen Strafkammer des Berliner Landgerichtes beginnt heute der erste Prozeß im Zusammenhang mit dem Anschlag auf die Diskothek „La Belle“ am 4. April 1986. Angeklagt ist der 37jährige Palästinenser mit libanesischem Paß Imad Mahmud. Ihm wird vorgeworfen, „einen Anschlag gegen die in Berlin stationierten amerikanischen Streitkräfte verabredet zu haben“. Bei dem Anschlag auf die vorwiegend von US-Soldaten besuchte Diskothek im Berliner Bezirk Schöneberg waren zwei amerikanische Soldaten und eine türkische Frau getötet worden. Über 200 Disko- BesucherInnen wurden zum Teil schwer verletzt.
Imad Mahmud, der an der Technischen Universität in Westberlin studierte, wird unter anderem vorgeworfen, im Auftrag libyscher Geheimdienstmitarbeiter mögliche Anschlagsziele unter US-amerikanischen Einrichtungen in Westberlin ausgekundschaftet zu haben. In seiner Kreuzberger Wohnung sollen auch unmittelbar vor dem Attentat Waffen gelagert worden sein.
Im Fall „La Belle“ stocherten die Ermittler über Jahre im dunkeln. Während die US-Behörden von Anfang an behaupteten, daß Libyens Staatschef Muammar el- Gaddafi hinter dem Anschlag stecke, konnten die Westberliner Fahnder keine Belege für eine Verstrickung Libyens finden. Sie favorisierten syrische Kreise als Drahtzieher des Attentats. Mehrere Verdächtige wurden festgenommen, mangels Beweisen mußten sie aber wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Am 21.12.1988 wurden schließlich die erfolglos verlaufenen Ermittlungen eingestellt.
Neu aufgerollt wurde das Verfahren erst, als den Ermittlungsbehörden mit dem Ende des Honecker-Staates die Archive des Ministeriums für Staatssicherheit zugänglich wurden. In dessen Unterlagen ist nicht nur die Vorbereitung des Anschlages gründlich dokumentiert – festgehalten wurde auch, daß bei der Einstellung der Ermittlungen politische Erwägungen eine wesentliche Rolle spielten. Obwohl den Westberliner Behörden zu diesem Zeitpunkt kein Beleg für eine Verstrickung Libyens vorlag, wurde ausweislich der Stasi-Akten „auf massives Drängen des US-Gesandten“ in Westberlin durch die Bürgermeisterin Hanna-Renate Laurien veranlaßt, „daß die Justizpressestelle in Ergänzung zu ihrer Pressemitteilung vom 21.12.1988 eine Erklärung veröffentlicht, in der auf eine mögliche libysche Beteiligung an der Aktion verwiesen wird“. Der damalige Staatssekretär im Berliner Justizressort, Alexander von Stahl, soll den Stasi-Akten zufolge den damaligen Justizsenator Rehlinger über einen Abstimmungsprozeß unterrichtet haben, an dem auch das Auswärtige Amt, das Bundesinnen- und das Justizministerium in Bonn beteiligt waren. Man habe sich darauf geeinigt, „eine Anfrage der amerikanischen Nachrichtenagentur AP zu initiieren, die dann zum Anlaß für eine entsprechende Mitteilung gemacht werden sollte. Darin verweise man auf ,nachrichtendienstliche Informationen‘, die eine Verwicklung libyscher Stellen in den Anschlag vermuten ließen“. Belege für diese These fanden sich aber erst Jahre später. wg
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