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Schröder präsentiert Oberharzer Waldschadenspark

■ Niedersachsen will aus der geschädigten Region einen Nationalpark machen/ Die Harzer fürchten dagegen um ihren sterbenden Fichtenwald

Bad Harzburg (taz) – Es war ein skeptisches Publikum, mit dem sich der niedersächsische Ministerpräsident am Freitag in Bad Harzburg auseinanderzusetzen hatte. Doch ein Argument gegen den Nationalpark Harz wollte Gerhard Schröder von vornherein nicht gelten lassen: „Die Belastung der Wälder durch Immissionen ist kein Einwand. Wir haben nie behauptet, daß der Schadstoffeintrag von außen mit einer Nationalparkverordnung bekämpft werden kann.“

Rund 160 Quadratkilometer, so war den Karten im Kurhaus zu entnehmen, will die Hannoveraner Landesregierung zwischen Bad Harzburg und dem Oderstausee, zwischen dem Brocken und dem Höhenzug „Auf dem Acker“ durch die Nationalparkverordnung unter Schutz stellen – ein Gebiet mit einer in Mitteleuropa einzigartigen Natur, aber eben auch eine von Luftschadstoffen extrem gebeutelte Gegend. Dort gibt es Hochmoore, Felsklippen, natürliche Bäche und auf engem Raum nebeneinander die verschiedensten Vegetationsformen. Das Zentrum des Nationalparks zwischen Acker und Brocken umfaßt allerdings gerade jenen Raum, den Landwirtschaftsminister Karl- Heinz Funke „das schlimmste Waldschadensgebiet Westdeutschlands“ nennt. Auf großen Flächen in den Hochlagen hat der saure Regen von den alten Fichten nur noch Baumleichen übriggelassen. Auch die alten Buchen in den tieferen Lagen sind schon zu 60 Prozent geschädigt.

Durch Einschränkungen im Rahmen des Naturparks fürchten die skeptischen Harzer Kommunalpolitiker und Verbandsvertreter dagegen um den Wintersport, den Harz-Tourismus und die Industrie. Viele bangen aber auch um ihren Wald. „Die Flächen in kritischem Zustand dürfen nicht dem Verfall preisgegeben werden“, forderte etwa der Harzer Verkehrsverband. Der Vorsitzende des immerhin 16.000 Mitglieder starken Harzclubs warnte gar vor kahlen, verkarsteten Bergen. Die labilen Fichtenwälder in Hochlagen würden sich nicht mehr regenerieren, wenn man in einem Nationalpark das forstliche Krisenmanagement einstelle.

Gerhard Schröder begegnete den Einwänden mit der Nationalparkverordnung, deren Grundzüge keineswegs einen idealen Nationalpark vorsehen, in dem Naturvorgänge vom Menschen unbeeinflußt ablaufen können. Nach der Verordnung sollen etwa alle Bundes- und Landesstraßen Tag und Nacht offenbleiben; Wanderer, Skifahrer und die gastronomischen Betriebe haben kaum Einschränkungen zu befürchten. Selbst die Förster werden weiterhin genug zu tun haben: Kalken und Düngen des geschädigten Waldes soll im gesamten Nationalpark erlaubt bleiben. In den tieferen Lagen werden außerdem auf weiten Flächen Fichtenwälder in standortgerechte Mischwälder umgeforstet. Bis zu fünfzig Jahre kann dies dauern; dabei soll auch die Holzernte möglich sein.

Das Bundes- sowie das Landesnaturschutzgesetz definieren Nationalparks als „Gebiete, die sich in einem vom Menschen nicht oder wenig beeinflußten Zustand befinden“. Eine vom niedersächsischen Umweltministerium durchgeführte „Bestandsaufnahme Naturschutz“ stuft die Harzer Nationalparkfläche zum größten Teil als „naturnah“ ein – trotz der nun mal auf menschliche Einflüsse zurückgehenden extremen Waldschäden. Selbst Naturschützer, die sich vehement für den Nationalpark einsetzen, halten es aber für wahrscheinlich, daß sich aller Waldpflege zum Trotz die Nationalparklandschaft in den nächsten Jahrzehnten radikal verändern wird.

Der Göttinger Waldschadensspezialist Professor Bernhard Ulrich gibt dem Wald in den Hochlagen des Harzes insgesamt nur noch wenig Chancen. Nach Auffassung des niedersächsischen BUND- Vorsitzenden wird auf den schwer geschädigten Nationalparkflächen entweder „eine andere Waldgesellschaft vor allem aus Ebereschen oder eine Moor- und Heidelandschaft, die dann auch interessant und schützenswert sein wird“, entstehen.

Ein neugegründeter industrie- und tourismusfreundlicher „Verein für die Erhaltung des Lebensraumes Harz“ hat jüngst angedroht, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob das Nationalparkgebiet die Voraussetzungen des Naturschutzrechts überhaupt erfüllt. Der niedersächsische Ministerpräsident hat denn auch in Bad Harzburg vorsorglich „eine Nationalparkverordnung“ angekündigt, die „gerichtsfest ist“. ü.o.

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