■ Deutsche Abgeordnete bereisen China
: „Mit denen kann man ja reden!“

China, vier Jahre nach Tiananmen. Die Wirtschaft boomt – zumindest in den Küstenregionen und im Süden des Landes. In den Behörden und Betrieben ist ein Mittelbau nachgewachsen, der die FunktionärInnen alten Stils ablöst. Lange vorbei die Zeit, da ausländische Delegationen und ihre – oft so schrecklich knochentrocken wirkenden – chinesischen Gesprächspartner einem immer gleichem Ritual unterworfen wurden: Besichtigung, Tee trinken, den Arm auf dem Schondeckchen der weichen Sessellehne ruhen lassen und den ideologiegetränkten Ausführungen der Kader lauschen.

Die deutschen Abgeordneten, die jetzt gerade aus China zurückgekehrt sind, zeigen sich beeindruckt, wie gesprächsbereit und pragmatisch viele Offizielle waren, denen sie ihre Sorge um die Menschenrechte in China vortrugen. Und sie kehrten zurück in der Überzeugung, daß es richtig war, die Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen aufzuheben, wie es der Bundestag Ende letzten Jahres beschloß. Mit diesen Pragmatikern kann man ja reden! Sie sind ja selbst daran interessiert, ihr Rechtssystem zu verbessern! Am besten allerdings läßt sich mit ihnen darüber Konsens erzielen, daß die gesetzlichen Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, des Investitionsschutzes etc. verbessert werden sollen. Das ist im beiderseitigen Interesse und fällt nicht in die heikle Kategorie „Einmischung in innere Angelegenheiten“.

Daraus wird gefolgert, daß es – besonders im Falle Chinas, wo die Wahrung des Gesichts eine so ungeheure Rolle spielt – vielleicht sogar besser sei, gute und enge Wirtschaftsbeziehungen zu pflegen. Denn dies schaffe die Voraussetzung dafür, auch die heikle Frage der Menschenrechte anzusprechen. Eine pragmatische Schlußfolgerung, die im übrigen auch von chinesischen Dissidenten im In- und Ausland geteilt wird. Daß chinesische Funktionäre immer dann, wenn es um die Behandlung der politischen Opposition und der nationalen Minderheiten geht, mit höflicher bis eisiger Ablehnung reagieren und sich auf drohenden und unerträglichen Gesichtsverlust zurückziehen, ist nicht neu. Nun also soll jeder Politiker und Geschäftsmann, der sich nach China begibt, beharrlich auf die Freilassung politischer Gefangener und ihren Schutz vor Folter und Mißhandlungen in den Knästen und Lagern dringen. Müssen wir daraus schließen, daß Wirtschaftssanktionen als Druckmittel nichts taugen? Nur bei China nicht? Und was bleibt dann? Jutta Lietsch