■ Bündnis 90 und Grüne stimmen für die Vereinigung
: Wann endlich sprühen Funken?

Aufatmen bei den künftigen Partnern. Mit der Urabstimmung ist – versprochen! – die letzte Hürde auf dem Weg zur gemeinsamen Partei Bündnis 90/Die Grünen genommen. Eine Ablehnung der Assoziation wäre zur Katastrophe geraten, die Zustimmung vollzieht nur nach, was der Öffentlichkeit längst als ausgemacht gilt. Definitiv vorbei sind damit die Zeiten der Selbstbeschäftigung, in denen der holprige Weg interner Ost-West-Annäherung als schlagzeilenträchtiger Politikersatz dienen konnte. Eineinhalb Jahre mühsamer Verhandlungen und Abstimmungen waren ein notwendiger Luxus. Notwendig, um die wechselseitigen Vorbehalte zu überwinden, luxuriös angesichts des eher deprimierenden Zustandes der bundesdeutschen Politik. Immerhin, am Ende stand ein Einigungsvertrag, der – anders als bei den vorangegangenen Parteifusionen – seine Gültigkeit nur mit der Zustimmung der Betroffenen erlangt.

Über die Qualität des Vertrages muß man schon nicht mehr streiten. Die vom Bündnis ursprünglich favorisierte Neugründung, die nicht auf die Addition von Grünen und Bürgerbewegten beschränkt bleiben sollte, scheiterte an politischen Ängsten, pragmatischen Einwänden und gebremstem Selbstvertrauen – auf beiden Seiten. Die Inszenierung eines politischen Fusionsprozesses mit Ausstrahlung über das angestammte alternativ-bürgerrechtliche Milieu hinaus wurde zugunsten eines kalkulierbaren, dafür weitgehend hermetischen Verhandlungsprozesses vertan. Von den – durchaus passablen – Satzungsänderungen am grünen Statut ließ sich die Bündnis-90-Mitgliedschaft am Ende zwar überzeugen, politische Funken lassen sich damit kaum schlagen. Auch was sich das Bündnis als Verhandlungserfolg gutschreiben kann – der neue Name, die Ost-Quote im gemeinsamen Führungsgremium, die innerparteiliche Vereinigung „Bürgerbewegung“ – ist eine Option auf Gleichberechtigung, keine Garantie. Die Grünen jedenfalls werden gut beraten sein, die Zeit der Behutsamkeit nicht mit dem Parteitag im Mai enden zu lassen. Erst im Verlauf des politischen Fusionsprozesses wird sich zeigen, ob die Vereinigung wirklich mehr bedeutet als satzungstechnisch verkleisterte Vereinnahmung.

Die jedenfalls wäre politisch kurzsichtig. Denn der Erfolg der neuen Organisation wird davon abhängen, ob die programmierten Kontroversen zwischen den Partnern zu neuen und intelligenten Positionen verarbeitet oder grün-verträglich eingedämmt werden. Noch kann die vereinigte Partei von der politischen Tristesse und dem oppositionellen Vakuum in Bonn profitieren. Die großzügigen Umfrageergebnisse signalisieren die öffentliche Erwartung. Die erfolgreiche Urabstimmung eröffnet die Chance zur gemeinsamen Politik. Ob es ein Aufbruch wird oder nur der alternative Beitrag zur Politikverdrossenheit, ist – bis auf weiteres offen. Selbst das ist heutzutage schon etwas. Matthias Geis