Pakistans Regierung vom Präsidenten entlassen

■ Einsetzung einer Interimsregierung unter Vorsitz von Mazari / Benazir Bhutto paktiert mit dem Präsidenten / Nawaz Sharif kündigt rechtliche Schritte an

Delhi (taz) – Die seit sechs Wochen schwelende Staatskrise in Pakistan hat am Sonntag mit der Entlassung der Regierung von Nawaz Sharif durch Präsident Ghulam Ishaq Khan ihren Höhepunkt erreicht. Am Abend begannen Einheiten der Armee in den Straßen der Hauptstadt Islamabad zu patrouillieren und sicherten das Parlament und die Gebäude von Radio und Fernsehen ab. In einer Rede begründete der Präsident seinen Entschluß, die Nationalversammlung aufzulösen und die Regierung abzusetzen. Er zählte acht Punkte auf, die ihn zu diesem Schritt bewogen hätten, darunter Nepotismus, Korruption und Mißwirtschaft. Die Fernsehansprache des Premierministers vom Vortag nannte er einen Aufruf zur Subversion. Tatsächlich hatte Sharif in seiner leidenschaftlichen Ansprache den Präsidentenpalast als Brutstätte der Verschwörung gegen seine demokratisch gewählte Regierung bezeichnet. Er werde nicht zurücktreten, denn das Parlament sei der Ort, wo die Legitimität seiner Amtsführung zu prüfen sei.

Diese Option schlug der Präsident aber aus. Dabei mag ihn das Gespräch beeinflußt haben, das er noch am Sonntag mit Benazir Bhutto führte, die soeben aus dem Ausland zurückgekehrt war. Bhutto schlug sich nicht, wie allgemein erwartet wurde, auf die Seite des bedrängten Premierministers, sondern forderte sofortige Neuwahlen und unterstrich dies gleich mit dem geschlossenen Rücktritt ihrer Partei aus dem Parlament. Nachdem in den letzten Wochen bereits eine Reihe von Abgeordneten der regierenden Muslim Liga dem Präsidenten ihr Mandat zur Verfügung gestellt und zehn Minister das Kabinett verlassen hatten, verfügte der Präsident damit über genügend politischen Rückenwind, um Sharif kurzerhand abzusetzen. Der Lohn, den sich die Pakistan Peoples' Party (PPP) damit verdient hatte, wurde noch am gleichen Abend ausbezahlt. Ishaq Khan berief eine Interimsregierung unter Balakh Sher Mazari, und gab dem neuen Premier zwei Staatsminister mit auf den Weg, wovon der eine, Faruq Leghari, der Stellvertreter von Benazier Bhutto in der PPP-Parlamentsfraktion ist. Damit wird klar, daß die Interimsregierung, welche demnächst Neuwahlen ausschreiben muß, eine Allparteienregierung sein wird. Auch Bhuttos Motiv für den Frontenwechsel wird verständlich. Die PPP hatte immer erklärt, ihre Wahlniederlage vom Dezember 1990 sei massiven Wahlfälschungen zuzuschreiben. Mit einer Regierungsbeteiligung hofft die Partei, derartige Praktiken in den wahrscheinlich im Juli stattfindenden Wahlen zu verhindern. Bernard Imhasly