: Hamburger Hafenstraße: Sozialbauten als Waffe
■ Hamburgs Bürgerschaft beschließt morgen über die Zukunft der Hafenstraße
Berlin (taz) – So richtig glauben wollte es keiner in St. Pauli, doch Traute Müller, Senatorin für Stadtentwicklung in Hamburg, wurde in den vergangenen Wochen nicht müde, den Satz zu wiederholen: „Das Projekt Hafenstraße ist beendet.“ Und das, wo die einstigen Enfants terribles doch endlich und ganz ernsthaft das gemacht haben, wovon die Senatorin in Grundsatzreferaten so gerne wohlformuliert spricht: Sie haben eine Alternative vorgelegt. In Zusammenarbeit mit der Stadtteilinitiative Viva St. Pauli und einer benachbarten Schule stellte die Baugruppe Hafenstraße ein Konzept mit Hand und Fuß vor. Oberste Prämisse: die Wiederherstellung der Verbindung von Arbeit, Freizeit und Wohnen, generationsübergreifend, bedürfnisorientiert, kommunikativ. Ein Projekt, von dem Traute Müller laut ihren eigenen Aussagen eigentlich träumen müßte.
Zentrum des Neubaus soll eine Stadtteilversammlungshalle sein, dazu kommen Kindertagesstätten, eine Kantine, Sporträume, ein öffentliches Badehaus, Gewerberäume und natürlich Wohnungen. Dinge, die St. Pauli braucht. Und eine Möglichkeit, den drohenden Abriß der Hafenstraßenhäuser endgültig abzuwehren.
Doch der Hamburger Senat handelt prompt. Im Ex-und-Hopp- Verfahren verabschiedete er am 30. März den sechs Jahre alten Bebauungsplan 35 St. Pauli Süd. Nach diesem Plan darf die stadteigene Hafenrand GmbH 70 Sozialwohnungen in die Baulücke bauen. Der sofortige Abriß der Hafenstraßenhäuser wurde zunächst zurückgestellt. „Die waren erschreckt, wieviel Proteste und Solidaritätserklärungen für den Erhalt der Hafenstraße bei ihnen eingingen“, glaubt Anne Reiche, Hafenstraßen-Bewohnerin und Mitglied der Baugruppe. „Doch der Senat wird sofort versuchen, die Häuser zu räumen und abzureißen, sobald die juristischen Möglichkeiten gegeben sind und die öffentliche Diskussion nachläßt.“
Zunächst sind die Regierenden bemüht, die Baulücke mittels Sozialwohnungen schnellstens zu schließen, bevor die Hafenstraßenpläne allzuviel Publicity erhalten. Morgen bereits soll die Bürgerschaft über den Bebauungsplan 35 – und damit über die Zukunft des Projekts Hafenstraße – entscheiden. Geht der Plan durch, kann die Hafenrand GmbH mit dem Bau der Sozialwohnungen beginnen. Genormter Wohnraum, der vor allem von Familien mit Kindern bezogen werden soll. Doch die Kindertagesstätten sind ebenso überfüllt wie die Schule. Und diese zu erweitern, geht nicht: Der Senatsplan sieht Parkplätze vor.
Derart ungeplant wird kaum kaschiert, daß sozialer Wohnungsbau als Waffe gegen die Wünsche der Anwohner eingesetzt wird. Wer die Hafenstraße per Spende, Protestschreiben oder ähnliches unterstützen will: „Hafenrand-Verein, c/o GWA, Hamburger Hochstraße 2, 2 Hamburg 36. Michaela Schießl
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen