"Möglichst viele Menschen töten"

■ Der erste Zeuge tauchte im "La Belle"-Prozeß aus Angst um sein Leben nicht auf / Dem Angeklagten wird nicht der Anschlag auf die Diskothek, sondern die Vorbereitung anderer Attentate vorgeworfen

Berlin (taz) – Der Vorsitzende der 29. Großen Strafkammer, Wolfgang Hüller, hakte nach. Mehrfach fragte er den Angeklagten: „Wie möchten Sie angesprochen werden? Mit Familiennamen Mahruf oder Mahmoud?“ Der Beschuldigte, Vorname Imad, gab sich pragmatisch: „Nennen Sie mich bitte Mahmoud, so wie es in meinem Paß steht.“ Die Personalienfeststellung im ersten Prozeß, der gestern im Zusammenhang mit dem Bombenanschlag auf die Westberliner Diskothek „La Belle“ vor dem Berliner Landgericht eröffnet wurde, gestaltete sich schwierig. 1947, übersetzte der Dolmetscher, habe sich der eine Teil der palästinensischen Familie nach einer Fehde Mahruf, der andere Mahmoud genannt. Erst 1986 habe der Vater bei den libanesischen Behörden beantragt, den alten Familiennamen zurückzuerhalten. Das geschah auch. Aber, wie Imad erzählt, nur für den „Geltungsbereich des Libanon“.

Über das Attentat auf die Diskothek „La Belle“, bei dem am 15.April 1986 drei Menschen ums Leben kamen und mehr als 200 verletzt wurden, fällt am ersten Verhandlungstag kein Wort – auch wenn das Verfahren als „La Belle“-Prozeß bezeichnet wird. Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis hält den am 13. Oktober im Libanon geborenen staatenlosen Palästinenser auch nicht wegen Beteiligung an dem Anschlag für schuldig, sondern möchte ihn wegen der Planung anderer Attentate zur Rechenschaft ziehen. „Verabredung zum Mord“ ist der Hauptvorwurf: Der 37jährige soll mit den Mitarbeitern des libyschen Volksbüros in Ost-Berlin, Jassir Craidi und Al- Ibrahim Keshlaf, geplant haben, „möglichst viele Menschen zu töten“. In der Zeit zwischen dem 25. und 27. März 1986 sollen sie beabsichtigt haben, einen Bus der US- Streitkräfte in West-Berlin mit Maschinenpistolen zu beschießen und mit Handgranaten zu bewerfen. Eine andere Planung hätte den Überfall auf „ein nicht endgültig bestimmtes Lokal“ vorgesehen. Die Waffen dazu seien in Mahmouds Kreuzberger Wohnung gelagert worden. Aus Angst, entdeckt zu werden – die Truppe hatte eine erhöhte polizeiliche Präsenz vor US-Einrichtungen ausgemacht –, seien die Waffen zurück nach Ost-Berlin gebracht worden. Mahmoud stieg zwar aus den Anschlagsplänen aus. Zehn Tage später detonierte dennoch der Sprengsatz in der Schöneberger Disko. Angst hatte der heute in Norwegen lebende Mohamed Amairi. Der Mann, der als früherer Leiter der palästinensischen radikalen Gruppierung „PFLP-CG“ in Berlin gilt, sollte als Zeuge aussagen. Er erschien nicht. Das Gericht hatte ihm zwar zugesichert, es laufe kein Verfahren gegen ihn. Amairi wollte dennoch nicht erscheinen. Zum einen, so brachte es das BKA in Erfahrung, sei er nicht im Besitz eines gültigen Reisepasses, zum anderen kenne Amairi den Mahmoud gut; bei einem Auftritt als Zeuge „fürchte er um sein Leben“.

Sicherheit war gestern großgeschrieben. Wem es nicht gelang, das Privileg einer Pressekarte zu ergattern, durfte sich einer seit Stammheim sattsam bekannten Prozedur unterziehen. Panzerglas, Metallsonde, Abtasten – die Schuhe mußten bei der Kontrolle ausgezogen werden. Kugelschreiber waren im Saal 101 auch nicht zugelassen. Wolfgang Gast