: Hamburg öffnet Datenschränke
■ Datenschutzchef Schrader zufrieden mit Senatsentwurf des neuen Hamburger Verfassungsgesetzes / Auskunftsrecht für alle
/ Auskunftsrecht für alle
Neugierig, was der Verfassungsschutz über dich gespeichert hat?! Null Problem — vorausgesetzt die Bürgerschaft stimmt dem gestern vorgelegten Senatsentwurf eines neuen Verfassungsschutzgesetzes zu: Erstmalig haben Hamburgs BürgerInnen die Möglichkeit, ganz legal Auskunft über ihre Dossiers beim „Stasi West“ zu erhalten, wie Schandmäuler die braven Verfassungsagenten gerne nennen. Datenschutz-Chef Hans-Hermann Schrader ganz verzückt: „Das ist recht fortschrittlich und nicht an die schlechteren Regelungen im Bundesverfassungsschutzgesetz angepaßt.“ Besonders erfreulich: Das Auskunftsrecht ist kein auf den Verfassungsschutz zugeschnittenes Sonderrecht. Auch für die Dossiers der Geheimbehörde gelten künftig die gleichen Auskunftsrechte wie bei jeder anderen Behörde.
Nicht nur das: Hamburgs Dunkelmänner haben voraussichtlich bald wieder etwas festeren Boden unter den Füßen. Mit echt hanseatischem Tempo nähert sich die Gesetzeslage dem Treiben ihrer geheimen Gesetzeshüter. Die jetzt vom Senat eingebrachte Gesetzesnovelle ist nämlich seit dem höchstrichterlichen Urteil von 1983 überfällig. Hamburgs Geheime werkelten bisher in rechtlichen Grauzonen: Wolkige Formulierungen, fehlende Datenschutzbestimmungen im Gesetzestext von 1978 ließen unzulässige Freiräume.
Befürchtungen, Verfassungsschutz und Senat würden die Chance einer Gesetzesnovellierung zu raffinierten neuen Anschlägen auf den Schutz der Bürgerrechte nutzen, schienen sich zunächst zu bewahrheiten. Der erste Referentenentwurf der Innenbehörde „wies“, urteilten Datenschützer, „schwere datenschutzrechtliche
1Mängel auf“. In heftigen Auseinandersetzungen mit Datenschützern gaben Innensenator Werner Hackmann und Hamburgs Verfassungsschutzchef Ernst Urlau nach. Hackmann wollte öffentliches Getöse unbedingt vermeiden. Zuletzt zeigte sich Urlau überaus umgänglich. Besorgte Fragen, ob die neuen Vorschriften seinen Handlungs-
1spielraum nicht einengten, beantwortete er klar mit „Nein“.
Neben der Auskunftsverpflichtung bietet das neue Gesetz noch weitere Vorteile: Der große Lauschangriff (das Abhören in Wohnungen) ist künftig in Hamburg nicht möglich. Die Trennung von Polizei und Verfassungsschutz ist weit strikter als bisher. Sie
1schließt auch aus, daß Datenweitergabe zwischen Polizei und Geheimpolizei lediglich als „interne Mitteilung“ gehandelt wird. Aber: Die Speicherung von Jugendlichen unter 16 und die Möglichkeit, einen einzelnen als „verfassungsfeindliche Bestrebung“ anzusehen, lassen wahre Verfassungsfreunde die Stirn runzeln. Florian Marten
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