■ Limbach muß handeln: Gruß von Schmücker
Das Ende des Schmücker-Verfahrens 1991 war weniger ein Sieg des Rechtsstaates als vielmehr ein Waffenstillstand, zu dem sich die Prozeßparteien in Abwägung der ihnen anderenfalls drohenden Nachteile gezwungen sahen. Der Mantel des Schweigens wurde über einen Berg von Akten ausgebreitet, aus dem sich die Wahrheit kaum noch filtern ließ, die Angeklagten verzichteten auf deren Findung, um endlich ihre Freiheit zu erlangen, die Staatsanwaltschaft, um nicht mit weiteren Verstrickungen unliebsam konfrontiert zu werden. Die Ermittler hatten in dem 17 Jahre währenden Prozeß das unwürdigste Schauspiel geboten, das je im Kriminalgericht Moabit nach dem Krieg aufgeführt wurde. Daß sie ungeschoren davonkamen, war Bestandteil des Waffenstillstandes.
Vor diesem Hintergrund sind die Ermittlungen gegen Ex-Innensenator Pätzold zu betrachten. Sie sind nichts anderes als ein Racheakt, der die Kleingeistigkeit, für die die ehemalige politische Abteilung berüchtigt war, atmet. Daß dieser Geist sich noch immer ungehindert in den Moabiter Hallen ausleben kann, macht aus der verkniffenen Nachstellung eines Oberstaatsanwaltes ein Politikum. Der Generalstaatsanwalt beim Landgericht und dessen Kollege beim Kammergericht sehen sich nicht in der Lage oder sind gar nicht willens, seinem Treiben Einhalt zu gebieten. Nun liegt der Fall bereits seit Wochen bei der Justizsenatorin Limbach. Sie betont so gerne, wie zuletzt bei ihrem umstrittenen Agieren im Honecker- Verfahren, ihre Fürsorgepflicht gegegenüber den ihr untergebenen Staatsanwälten. Deren Kehrseite ist bekanntlich die Dienstaufsichtspflicht. Dieser muß sie nachkommen, auch wenn, wie im vorliegenden Fall, ein Parteifreund dadurch begünstigt wäre. Limbach wird, gerade wegen der politischen Implikationen, den Fall nur mit spitzen Fingern anfassen wollen. Sie wäre allerdings gut beraten, nicht ihren Fehler aus dem Honecker-Verfahren zu wiederholen. Diesmal muß sie ihre Position offensiv vertreten. Anderenfalls wird sich nicht nur der Eindruck bestätigen, daß die alten Seilschaften der politischen Staatsanwaltschaft nach Gusto weiteragieren, sondern auch die Vermutung Nahrung erhalten, daß sie ihrer Dienstherrin auf der Nase rumtanzen. Dieter Rulff
Siehe auch Bericht auf Seite 18
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