: Dagobert narrt Polizei diesmal mit Gully-Trick
■ Karstadt-Erpresser entwischt zum elften Mal – diesmal durch die Kanalisation / Zweifel an Einzeltäter-Version
Berlin. Riesenfiasko für die Polizei: Beim elften Geldübergabeversuch, diesmal im Bezirk Britz, führte der Kaufhaus-Erpresser „Dagobert“ die Spezialeinheiten abermals an der Nase herum. Während Beamte des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) und Fahnder der „Soko Dagobert“ einen Streusandkasten observierten, den Dagobert als Übergabeort der 1,1 Millionen Mark Lösegeld auserkoren hatte, kam Dagobert durch einen Gully.
Erneut hatte Dagobert die polizeilichen Geldboten aus Hamburg in die Hauptstadt gelotst. Dort erhielt der Bote um kurz nach 20 Uhr den Hinweis, daß sich weitere Instruktionen in einem Schließfach am Bahnhof Zoo befinden. In diesem Fach lag ein Schlüssel und die Anweisung, einen Parkplatz in Britz aufzusuchen. Auf diesem Parkplatz stand eine verschlossene Kiste mit Streusand, zu der der Schlüssel paßte. In dem Behälter lag ein weiterer Zettel mit der Aufforderung, das Geld zu deponieren, andernfalls drohte Dagobert, bei Karstadt ein „Feuerwerk“ losgehen zu lassen.
Obwohl Polizisten die Streugutkiste intensiv durchsuchten, fiel ihnen nicht auf, daß der Behälter auf einem Gully stand und der Boden zu öffnen war. Die Polizisten deponierten eine Tüte mit Papierschnipseln, Bewegungsmelder und Peilsender, danach legten sich Dutzende Beamte auf die Lauer. Sie bemerkten nicht, daß Dagobert von unten durch einen Gully die Kiste inspizierte, die er selbst dort hingestellt hatte. Selbst als der Bewegungsmelder ausgelöst wurde, glaubten die Fahnder zunächst an eine Technik-Panne – schließlich war Dagobert ja nirgendwo zu sehen. Doch der pfiffige Kaufhauserpresser merkte, daß es sich um eine Falle handelte, und flüchtete ohne Tüte durch die Kanalisation. Hamburgs Polizeisprecher Dankmar Lund zu dem Fiasko: „Wir hatten zu keinem Zeitpunkt Hinweise darauf, daß sich unter der Kiste eine Kanalisation befindet.“
Mittlerweile wird bezweifelt, daß es sich um einen Einzeltäter handelt, sagte Einsatzleiter Michael Daleki auf der gestrigen Pressekonferenz. „Die Kiste ist so schwer, die kann kein einzelner Mann transportiert haben.“ Mindestens zwei bis drei kräftige Männer müßten für den Transport notwendig gewesen sein. Es wurde vermutet, daß die 80 mal 80 mal 130 Zentimeter große Kiste von den Tätern selbst hergestellt und zu dem Parkplatz gebracht wurde. „Eine Art Schnitzeljagd“ wolle „Dagobert“ mit der Polizei spielen, an Geld sei er wahrscheinlich gar nicht mehr interessiert. „Der Täter will Unruhe stiften und schöpft daraus seine Befriedigung.“
In der Essener Karstadt-Zentrale ist man über die Polizei-Pleite wenig begeistert, billigt aber im Grundsatz das Vorgehen. In der Konzernspitze herrscht jetzt Angst vor weiteren Anschlägen. „Das Risiko ist da“, so Karstadt-Sprecher Martens, der allerdings eine diffuse Hoffnung hat: „Vielleicht fängt ihn die Polizei ja doch noch.“ Kai von Appen/Jörg Welke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen