: Kampagne oder was?
■ „Bild“ geht mit Angriffen auf ARD & ZDF in Serie
Berlin (taz) – Die öffentlich- rechtlichen Programme sind in der Krise, und Bild hat's gemerkt. „Weniger Zuschauer, kaum Stars, rote Zahlen“, titelte sie am Dienstag vergangener Woche und wartete fortan täglich mit neuen Enthüllungen auf: Darüber, wer seine Stars in eine „Zwangsjacke“ steckt (ARD & ZDF) und wer „frische“ Talente wie Ulla „Verzeih' mir“ Kock am Brink aufblühen läßt (die Privaten). Wo Jugendliche in der letzten Reihe sitzen (bei ARD & ZDF) und wo Margarete Schreinemakers glücklicher ist (bei den Privaten). Warum den Zuschauern jahrelang diktiert wurde, was sie zu sehen haben (wegen ARD & ZDF) und warum es Programme gibt, die dem Publikumsgeschmack entsprechen (wegen der Privaten). Zu Wort kommen dabei Experten von RTL, Pro 7 und Sat.1.
Nebenbei wird die lose Folge von Schlagzeilen über TV-Promis fortgesetzt – die Zufriedenheit am Arbeitsplatz beeinflußt schließlich das Privatleben: Während ARD- Moderator Ulrich Wickert (laut Bild-Zeitung) gerade seitenspringend seine Ehe zerstört hat, freut sich Sat.1-Kollegin Margarete Schreinemakers (laut Bild) über den familienfreundlichen neuen Vertrag mit bezahltem Baby-Urlaub.
Sieht aus wie eine Kampagne, liest sich wie eine Kampagne, wirkt wie eine Kampagne – ist aber nur eine „kleine Serie“. Sagt Gustav Jandek, stellvertretender Bild- Chefredakteur für den Bereich Unterhaltung. Seine Zeitung sei in der aktuellen Diskussion weder federführend, noch habe sie sie herbeigeführt. „Ganz dezidiert: Wir machen keine Kampagne“, wiederholt Jandek, etwas erbost über den Vorwurf – es habe doch nicht einmal „himmelschreiende Überschriften“ gegeben.
Im übrigen: Warum sollte man eine solche Kampagne führen? Nun gut, die Bild-Verleger Springer/Kirch sind auch Gesellschafter bei Sat.1, Pro 7, dem Kabelkanal und DSF. Aber das ist für Jandek ohne Belang. „Wir sind allen Sendern gegenüber offen. Es wäre völlig verbohrt, wenn man sich ARD und ZDF verschließen würde.“ Aber gerade die Privaten lieferten halt diese wunderbar bunten Geschichten über Hintergründe ihrer Sendungen, während das ZDF... „Haben Sie ,Traumjob‘ gesehen? Um Gottes Willen!“ Die Proteste gegen die Berichterstattung findet Jandek „völlig überzogen“. Selbst Bild könne keine Sender erfolgreich machen oder niederschreiben. Dem Mond ARD geht der heulende Hund dennoch langsam auf die Nerven. Nach Ansicht von Ulrich Deppendorf, Chef von ARD-aktuell, ist die „Kampagne“ (er meint die kleine Serie), mit der Bild die Privatsender „schönschreibe“, nur durch die Verlegerinteressen verständlich. Daß Bild diesen Zusammenhang verschweigt, sei jounalistisch unseriös. „Wir werden darauf reagieren“, kündigt Deppendorf an, „und den Zuschauern die Zusammenhänge der Konzentration im Privatfernsehen deutlich machen.“ Daß ARD und ZDF zu kämpfen haben, sei unbestritten. Doch die Springer-Presse wolle erreichen, daß sie ganz verschwinden, sagt Deppendorf.
Neuerdings regt sich Gegenwehr: Vergangene Woche kündigte Ulrich Wickert in den „Tagesthemen“ eine Nachricht in eigener Sache an und zitierte aus der Hitparade der meistgesehenen Sendungen 1992. Der erste Beitrag der Privaten liegt laut einer ZDF- Statistik auf Platz 216, die „Traumhochzeit“ von RTL. Stefan Niggemeier
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