König Dom Joao Henrique de Orleans e Braganza

■ Wird in Brasilien die Monarchie wiedereingeführt? Heute findet ein Plebiszit statt

Rio de Janeiro (taz) – Die 144 Millionen Einwohner Brasiliens sollen heute über die Form ihres künftigen Regierungssystems abstimmen. Aber die Frage ist den meisten von ihnen schlicht zu hoch: Daß dies eine Auswahl zwischen Parlamentarismus, Präsidialsystem oder Monarchie bedeutet, ist der Mehrheit der Wahlberechtigten nicht bewußt. Nach einer Umfrage des brasilianischen Meinungsforschungsinstituts „Ibope“ wissen 52 Prozent der Brasilianer nicht, wozu die Volksabstimmung überhaupt dient.

Brasiliens Präsident Itamar Franco, ein Anhänger des Parlamentarismus, macht dafür mangelnde Zeit für Aufklärungsarbeit verantwortlich und gesteht ein, daß die Vorverlegung des ursprünglich für September geplanten Referendums ein Irrtum war. „Meine Generation wird den Parlamentarismus nicht erleben“, kommentiert das Staatsoberhaupt die Chancen für einen Systemwechsel. Denn das herrschende Präsidialsystem, das dem Staatsoberhaupt eine dominierende Stellung einräumt, liegt in den Meinungsumfragen deutlich vorne.

Der kurze Flirt mit einer Stärkung des Parlaments begann im Oktober vergangenen Jahres, als die brasilianische Legislative Ex- Präsident Fernando Collor de Mello wegen Korruption zwangsweise seines Amtes enthob. Collor hatte es sich nicht nehmen lassen, bis zum letzten Moment demonstrativ gegen den Willen der ganzen Nation zu regieren. Das brasilianische Präsidialsystem schien ungeeignet, den qualvollen „Impeachment“-Prozeß, der sich über sechs Monate hinzog, abzukürzen.

„Brasilien ist ein Land ohne Ideen und Hoffnung“

Doch die Begeisterung der Brasilianer, als erstes Land in Lateinamerika einen korrupten Präsidenten zum Rücktritt gezwungen zu haben, ist mittlerweile verpufft. „Brasilien ist heute ein Land ohne Ideen und Hoffnung. Es ist von wirtschaftlicher Stagnation und Hyperinflation gekennzeichnet“, meint Luiz Carlos Bresser. Der ehemalige Finanzminister wirft der Regierung Franco vor, nach sechs Monaten noch immer kein politisches Projekt vorgelegt zu haben.

In Brasiliens ehemaliger Hauptstadt Rio de Janeiro liebäugeln deshalb viele Einwohner verstärkt mit einer dritten Alternative: der Rückkehr des Königs. Denn in den ersten 77 Jahren seiner Unabhängigkeit, bis 1889, war Brasilien ein Kaiserreich. „Die parlamentarische Monarchie verschafft dem Land die notwendige Stabilität, der König fungiert als Symbol nationaler Einheit“, erklärte Thronanwärter Dom Joao Henrique de Orleans e Braganca bei einer Podiumsdiskussion im Feinschmeckerlokal „Guimas“.

Dem 39jährigen schwebt eine Vaterfigur wie sein Ururgroßvater Dom Pedro II. vor, der auf Privilegien bewußt verzichtete und ein moralisch einwandfreies Leben führte. Er selbst ist jedoch in der High Society von Rio als fanatischer Surfer und Playboy bekannt. Der einzige Thronanwärter ist er nicht. Im Falle eines Sieges der Monarchie hätten theoretisch alle 19 Ururenkel und Ururenkelinnen von Dom Pedro II. das Recht, sich mit den 639 Diamanten der brasilianischen Königskrone zu schmücken. Die Vielfalt der Kandidaten hat allerdings dazu geführt, daß sich die nostalgische Bewegung inzwischen gespalten hat.

„Der Thron gehört nicht uns. Der Kongreß ernennt den König von Brasilien, falls die Monarchie am 21. April gewinnt“, erklärt Dom Alberto Maria Rafael Gonzaga de Orleans e Braganca, bevorzugter Kandidat der brasilianischen Monarchiebewegung. Hinter der vornehmen Zurückhaltung des 35jährigen Rechtsanwaltes steckt keine falsche Bescheidenheit. Jüngsten Umfragen zufolge machen die Anhänger der parlamentarischen Monarchie gerade 13 Prozent der brasilianischen Wahlberechtigten aus.

Brasiliens Außenminister Fernando Henrique Cardoso, überzeugter Anhänger des Parlamentarismus, hat für die Sehnsucht nach einer königlichen Vaterfigur nur bittere Ironie übrig. „Die einzige Chance Brasiliens, per Monarchie in die Erste Welt einzutreten, ist die Unterwerfung unter die spanische Krone“, schlägt er vor. Falls dies auf Widerstand stoßen sollte, sagt er, könnte man notfalls auch den portugiesischen Staatspräsidenten Mario Soares kurzfristig zum König ernennen.

Der deutsche Politikwissenschaftler Peter Loesche, der kürzlich in Brasilien weilte, meint dazu, die Wahl des Regierungssystems sei zweitrangig. Erst einmal müßte sich das Land auf ein repräsentatives Wahlrecht einigen. Denn der brasilianische Norden, Nordosten und mittlere Westen, wo 38 Prozent aller Wahlberechtigten wohnen, stellt 51 Prozent der Abgeordneten im brasilianischen Parlament. Im Bundesstaat Roraima zum Beispiel reichen 12.000 Stimmen aus, um sich ins Parlament wählen zu lassen; in São Paulo bräuchte derselbe Kandidat 330.000 Stimmen. Wie auch immer die Volksabstimmung April ausgehen mag, es ist unwahrscheinlich, daß gerade die Parlamentarier aus dem Nordosten, Norden und mittleren Westen einer Wahlrechtsreform zustimmen. Astrid Prange