: SPD für Koppelung der Sozialhilfe an Nettolöhne
■ Bundestagsausschüsse beraten heute über strittige Punkte des Solidarpakts
Berlin (taz) –Bei der Kürzung der Sozialhilfe im Zuge des „Solidarpaktes“ zeichnet sich eine Kompromißlösung ab. Wie aus der SPD-Bundestagsfraktion zu erfahren war, stimmte die Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales gestern nach langer Debatte einer Ankopplung der Sozialhilfe an die Nettolohnentwicklung zu. Auch die Regierungskoalition hat gestern in diesem Punkt Gesprächsbereitschaft signalisiert. Nach ihren bisherigen Plänen soll die Erhöhung der Sozialhilfe in diesem Jahr auf zwei Prozent und in den beiden folgenden Jahren auf drei Prozent begrenzt werden.
Der SPD-Vorschlag würde in diesem Jahr eine Erhöhung der Sozialhilfe von etwa 4,5 Prozent bedeuten. Im nächsten Jahr dürfte sie allerdings deutlich geringer ausfallen. Wie zu erfahren war, bereitete der Kompromiß den Teilnehmern der Arbeitsgruppe auch deshalb „Bauchschmerzen“, weil dies eine Abkehr vom Prinzip der Bedarfsdeckung bedeutet. Bei der Berechnung der Sozialhilfe setzen sich damit anstelle einer Orientierung an Lebenshaltungskosten finanzpolitische Erwägungen durch.
Die Arbeitsgruppe stimmte auch fünf weiteren Punkten zu, die die SPD-Länderchefs in der vergangenen Woche in einer Telefonkonferenz beschlossen hatten und mit denen die SPD-Fraktion in die heutige Sitzung der Bundestagsausschüsse für Haushalt und Finanzen geht: Familien mit einem Jahreseinkommen von weniger als 41.000 Mark sollen vom Solidaritätszuschlag befreit werden. Erst ab einem Familieneinkommen von 50.000 Mark soll der Solidaritätszuschlag in voller Höhe von 7,5 Prozent gezahlt werden. Für die, deren Einkommen dazwischen liegt, soll ein gleitender Tarif gelten.
Eine Absage erteilt die SPD der Absenkung des Übergangs- und Unterhaltsgeldes bei Umschulung und Fortbildung. Abgelehnt wird auch die geplante Streichung der öffentlichen Zuschüsse zur Rentenversicherung von Kurzarbeitern nach sechs Monaten. Dies würde die Bundesanstalt für Arbeit um 1,2 Milliarden Mark entlasten. Den Posten hat die zuständige Arbeitsgruppe der Länderfinanzminister in ihrer Sparliste allerdings fest eingerechnet. Insgesamt haben sie Einsparungen von über 10 Milliarden Mark vorzuweisen und liegen damit sogar über den vereinbarten 9,2 Milliarden.
Dennoch hat das Bundesfinanzministerium plötzlich eine Finanzierungslücke von 4,5 Milliarden Mark entdeckt. Von Länderseite wird dies als Versuch gewertet, „beschlossene Dinge zurückzudrehen“. Waigel versuche, einzelne „Brocken“ wieder aus dem Solidarpakt herauszubrechen und im Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat neu zu verhandeln. Dorothee Winden
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