Kroatische „Säuberungen“ in Zentralbosnien

■ Die ostbosnischen Städte Zepa und Goražde sollen zu UN-Schutzzonen werden

Wien (taz) – Kroatische Truppen haben in Zentralbosnien eine neue Front eröffnet: Nach Angaben der UNO starben in den letzten vier Tagen mindestens 200 Menschen bei Angriffen kroatischer Bodentruppen auf muslimische Siedlungen. Nach Angaben eines britischen UNO-Sprechers begannen radikale Kroatenverbände, die Region um Zenica und Vitez und entlang des Flußlaufes der Neretva „ethnisch zu säubern“.

Die Kroaten wollen die mehrheitlich muslimisch bewohnte Region ihrem selbstproklamierten Staat „Herzeg-Bosna“ einverleiben. So möchten sie in den Besitz zweier großer Wasserkraftwerke gelangen, die derzeit die Region um die Hauptstadt Sarajevo, nicht aber die Großstadt Mostar und das kroatische Hinterland der Adriastadt Dubrovnik mit Strom versorgen. Muslimische Verbände hatten im März mehrere Hochspannungsmasten gefällt, die bis dahin Strom nach Kroatien lieferten. Der Grund: Waffen- und Hilfsgüterlieferungen mit denen die einst verbündeten Kroaten den Strom bezahlten, waren plötzlich eingestellt worden.

Vor allem der „Präsident“ von „Herzeg-Bosna“, Mate Boban, machte schon lange kein Hehl mehr daraus, daß er sich ein Zusammenleben mit den, wie er sie nannte, „fundamentalistischen Muslimanen“ nicht mehr vorstellen könne. Der Schritt von der verbalen zur realen Kriegserklärung blieb nicht aus. So meldete der UNO-Kommandeur aus Vitez, heftige Strassenkämpfe würden auf beiden Seiten einen hohen Blutzoll fordern. Angaben, die bisher weder die kroatische noch die muslimische Seite bestätigten. Sie versuchen vielmehr, den Konflikt herunterzuspielen und Details zu verschweigen. Der Propagandamaschine der Serben soll kein Nachschub geliefert werden.

Durch die muslimisch-kraotischen Kämpfe in Bosnien wird auch die Versorgung der Region behindert. Deshalb will das UNHCR sich nun um die Öffnung des Flughafens in Tuzla bemühen, die Olovo-Straße, die von Zentralbosnien nach Tuzla führt, soll geöffnet und von UN-Truppen gesichert werden. Nachdem es dem UNHCR gelungen ist, am Montag rund 500 Verwundete aus Srebrenica zu evakuieren, sollen nun auch die ostbosnischen Städte Zepa und Goražde zu „Schutzzonen“ erklärt werden. Um Vertreibungen zu verhindern, müßten starke Blauhelmeinheiten stationiert werden. Da bis gestern nachmittag nur sehr wenige muslimische Soldaten in Srebrenica ihre Waffen an die UN-Truppen übergeben hatten, möchte die UNO die am Mittwoch, 11 Uhr ablaufende „Entmilitariserungsfrist“ verlängern. Karl Gersuny