: Fachhochschulen sehen sich im Abseits
■ FH-Rektoren monieren zögerlichen Ausbau / Beim Fächerausbau sollte vor heiligen Kühen nicht haltgemacht werden / Berliner Fachhochschulen stark überlastet / Berufsakademie "Klotz am Bein"
Berlin. Kritik an der nach ihrer Meinung ungenügenden Förderung der Fachhochschulen übten gestern die Rektoren der Fachhochschulen und Fachschulen. Es heiße zwar, die Fachhochschulen seien „im Aufwind“, doch davon sei wenig zu spüren, betonte der Präsident der Technischen Fachhochschule (TFH), Günter Siegel. Der Ausbau der Fachhochschulen erfolge in Berlin eher zögerlich und nur aus finanziellen Motiven. Ein Studienplatz ist dort deutlich billiger als an Universitäten. Die vom Wissenschaftsrat propagierte Gleichwertigkeit zum universitären Abschluß spiele dagegen keine Rolle, sagte Siegel in der Wissenschaftspressekonferenz. Er forderte zu einem „zweifachen Abbau an den Universitäten“ auf: bei den Studierenden und den Fächern. „Da müssen wir dann auch heilige Kühe ansprechen.“
So soll an zwei Berliner Fachhochschulen ab dem Sommersemester Wirtschaftsjuristen ausgebildet werden. Sowohl die Schöneberger Fachhochschule für Wirtschaft (FHW) als auch die FH für Technik und Wirtschaft in Karlshorst wollen damit einem der traditionell an Universitäten verankerten Studiengang Konkurrenz machen. „Solange wir aus der Senatsverwaltung grünes Licht bekommen, machen wir damit weiter“, sagte Jürgen Kunze. Der Rektor der FHW gestand ein, daß das „mit Sicherheit Ärger geben wird – und zwar bundesweit“.
Als „Klotz am Bein“ bezeichente Günter Siegel die Gründung der Berufsakademie. Er berichtete, daß die Wirtschaft sich deswegen aus einem von der TFH gemeinsam organisierten Studiengang zurückziehe. Wegen der Berufsakademie „haben wir Probleme mit unserem Dualen Studiengang“, sagte Siegel. Fachhochschule und Berufsakademie müßte kein Widerspruch sein, ergänzte FHTW-Rektor Rainer Knigge. Seine FH sei mit Berliner Banken im Gespräch, um abgeschlossene Bankkaufleute im FH-Studium ans Management heranzuführen. Die Berufsakademie biete dagegen Abiturienten nur eine im Niveau angehobene Banklehre.
Die Berliner Fachhochschulen leiden unter einer gewaltigen Überlastung. Die FHW beispielsweise hat 1.500 Studienplätze, zählt aber rund 2.500 Vollimmatrikulierte und zusätzlich 1.000 FernstudentInnen. Die Technische Fachhochschule im Wedding ist für 5.600 Studis ausgelegt, in den Seminaren und Laboren studieren aber 8.100 Menschen. Selbst die FHTW, die mit 4.500 StudentInnen erst die Hälfte ihrer Kapazität erreicht hat, kommt nicht zu Rande. Dort sind nämlich von 320 angepeilten Professoren erst 39 berufen, berichtete Gründungsrektor Rainer Knigge. Die Rektoren monierten den von Wissenschaftssenator Erhardt (CDU) vorgelegten „Berliner Hochschulstrukturplan“. Nur auf zwei Seiten gehe es darin um den Ausbau der Fachhochschulen, sagte Günter Siegel. Nur mit Rechentricks kommt Erhardt darin auf den künftig angestrebten 30prozentigen Anteil von FH-Studenten. cif
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