Rheinhausener Betriebsrat legt Alternativkonzept vor

■ Rohstahlbasis soll in Dortmund und Duisburg gesichert werden / Abfuhr aus Dortmund / Vorstandskonzept stößt auch bei Gutachtern auf Skepsis

Rheinhausen (taz) –Der Betriebsrat des Krupp-Stahlwerkes in Rheinhausen hat am Dienstag ein neues Konzept für die Rohstahlbasis des fusionierten Krupp-Hoesch-Konzerns vorgelegt, das neben der im vollem Umfang weiter betriebenen Stahlhütte in Duisburg-Huckingen die Sicherung der Stahlstandorte in Dortmund und Rheinhausen vorsieht. Danach soll sowohl in Rheinhausen wie auch in Dortmund die Rohstahlbasis mit je einem Hochofen und verschiedenen Stahlwerksanlagen betrieben werden. Insgesamt würden bei diesem Konzept 2.200 Stahlkocher in Rheinhausen und weitere 1.200 in Dortmund in der eigentlichen Rohstahlproduktion Beschäftigung finden. Das Vorstandskonzept sieht dagegen eine Schrumpfung auf 2.940 Arbeitsplätze in diesem Bereich vor, die allerdings alle in Dortmund bestehen blieben. Deshalb kann es kaum verwundern, daß die Dortmunder Hoesch-Betriebsräte von dem Konzept nichts halten. Nach den Vorstellungen des Konzernvorstandes soll die Krupp-Hütte in Rheinhausen ganz geschlossen werden und die Rohstahlproduktion des Unternehmens künftig auf die beiden Standorte in Dortmund und Duisburg-Huckingen konzentriert werden. Die Konzernmanager werden nicht müde zu erklären, daß die Entscheidung gegen den Standort Rheinhausen – wie zuvor angekündigt – allein aus betriebswirtschaftlichen Gründen erfolgt sei. An dieser Version gibt es nicht nur beim Rheinhausener Betriebsrat erhebliche Zweifel. Tatsache ist, daß die vorstandseigenen Berechnungen allein bei den Personal- und Sachkosten Kostenvorteile für Rheinhausen in Höhe von 61 Millionen Mark pro Jahr gegenüber Dortmund aufweisen. Weitere immense Kostenvorteile bringt die werkseigene Kokerei in Rheinhausen, die den Koks pro Jahr um 35 Millionen Mark günstiger herstellt als die Hoesch beliefernde Kokerei der Ruhrkohle in Dortmund. Um diesen Kokskostenvorteil hat es in den vergangenen Monaten hinter den Kulissen unter Beteiligung von hochkarätigen SPD-Politikern wie dem Dortmunder Oberbürgermeister Günter Samtlebe ein hartes Ringen gegeben. Am Ende stand ein Angebot der Ruhrkohle, so heißt es in einem Papier des Krupp-Hoesch- Vorstands, „den Koks zu Bedingungen zuzuliefern, die den Kosten in Rheinhausen entsprechen“. Ob diese Verabredung, die über die Gründung einer gemeinsamen Kokereigesellschaft realisiert werden soll, Bestand haben wird, ist indes ungewiß. Nach dem Hüttenvertrag muß die Ruhrkohle allen Stahlunternehmen den Koks zu gleichen Bedingungen anbieten. Im Falle einer Sonderbehandlung von Krupp-Hoesch sind Klagen der Konkurrenz so gut wie sicher.

Doch selbst für den Fall, daß dieser Coup gelänge, an den wesentlich geringeren Personal- und Sachkosten in Rheinhausen änderte sich damit nichts. Es waren die „Einmalkosten“, die nach der Darstellung der Konzernmanager den Ausschlag für Dortmund gaben. Die Konzentration der Rohstahlbasis in Rheinhausen und Duisburg-Huckingen hätte zusätzliche Investitionen von 85 Mio DM für die Überholung des dortigen zweiten Hochofens und einmalige „Zusatzkosten“ während der fünfzehnmonatigen „Hochlaufphase“ in Höhe von rund 170 Mio DM zur Folge. Die laufenden Kostenvorteile von Rheinhausen, so lautete das Fazit der Konzernmanager, wögen die erforderlichen Sonderaufwendungen „erst im Jahre 2000 auf“. Nach dem Betriebsratskonzept fallen diese Sonderaufwendungen bei einem Ein-Ofen-Betrieb in Dortmund und Rheinhausen nun weg. Wegen des größeren Personalaufwandes lägen die laufenden Personal- und Sachkosten bei dem Betriebsratsmodell zwar um 45 Mio DM höher als bei einer Konzentration in Rheinhausen, doch im Vergleich zum alleinigen Weiterbetrieb in Dortmund schnitte das Betriebsratsmodell immer noch um 16 Mio DM pro Jahr günstiger ab. Auch die Sozialplankosten fielen wesentlich geringer aus. Das Fazit der Rheinhausener Betriebsräte lautet deshalb: Durch eine Konzentration auf die Rohstahlbasis in Dortmund „wird die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens dauerhaft in Frage gestellt“. Fragt sich nur, warum der oberste Konzernchef Cromme sich dann für Dortmund entschied? Sah der Aufkäufer von Hoesch bei einer Entscheidung gegen die Rohstahlbasis Dortmund wegen der angekündigten massiven Proteste etwa die Konzernfusion insgesamt gefährdet oder gibt es vielleicht geheime Nebenabsprachen mit Dritten – spekuliert wird in diesem Zusammenkang über einen Deal mit dem Dortmunder Energieriesen VEW –, die die Entscheidung auch betriebswirtschaftlich in einem anderen Licht erscheinen lassen? Nach den offiziellen Zahlen mache das Aus für Rheinhausen betriebswirtschaftlich allenfalls dann Sinn, so ein Branchen- Insider, wenn dahinter die Absicht stünde, in zwei bis drei Jahren auch die Rohstahlbasis in Dortmund ganz zu schließen. Wie seriös sich die betriebswirtschaftliche Argumentation des Vorstands darstellt, werden Außenstehende vielleicht am Ende dieser Woche genauer beurteilen können. Für Freitag hat die Unternehmensberatungsgesellschaft Roland Berger, die das Zahlenwerk derzeit überprüft, ihren Abschlußbericht angekündigt. Sollten das Zahlengebilde gutachterlich nachhaltig erschüttert werden, dürfte der für den 29.4. avisierte Aufsichtsratsbeschluß über die Stillegung von Rheinhausen wohl kaum zustande kommen. Walter Jakobs