"Wirklich etwas abenteuerlich"

■ Harte Kritik des Bundesdatenschutzbeauftragten Alfred Einweg: Bei der im Solidarpakt vereinbarten Bekämpfung des Mißbrauchs von sozialen Leistungen ist der Datenschutz äußerst mangelhaft

Berlin (taz) – „Wenn demnächst ein Mitarbeiter des Arbeitsamtes bei Ihnen klingelt und fragt, ob Sie wüßten, wie oft denn die Putzfrau Ihres Nachbarn kommt und Sie die Auskunft verweigern, droht Ihnen ein Bußgeld“, schildert Helga Schumann, Sprecherin des Bundesdatenschutzbeauftragten, Alfred Einwag, die Folgen des geplanten §150 a, Absatz 5 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Die Neuregelung soll im Zuge des Solidarpakts den Behörden mehr Handlungsspielraum bei der Bekämpfung des Mißbrauchs sozialer Leistungen geben.

In dem neuen Paragraphen heißt es, „jedermann“ habe „die Prüfungen der Bundesanstalt und der in den Absätzen 2 und 3 genannten Behörden (Krankenkassen und Träger der Rentenversicherung, d. Red.) zu dulden und hierbei mitzuwirken, sowie Auskünfte ... zu erteilen“.

Einwag hält diesen Teil des Gesetzentwurfs für nicht verfassungskonform, weil ein Auskunftsverweigerungsrecht bisher nur für den Arbeitgeber vorgesehen ist. Darauf zumindest ist die Regierungskoalition eingegangen und hat im Bundestagsausschuß für Arbeit einen Änderungsantrag eingebracht: Niemand brauche sich selbst oder nahestehende Angehörige mit einer Aussage belasten. Dies reiche aber noch nicht, so Einwag. Es sei „wirklich etwas abenteuerlich“ und nicht hinnehmbar, daß man über Nachbarn oder Arbeitskollegen Auskunft geben müsse.

Einwag kritisiert weiter, daß die bisherigen Bestimmungen, die den Datenschutz bei der Mißbrauchskontrolle durch die Bundesanstalt für Arbeit (BA) regeln, abgeschafft werden sollen. Unverständlich ist dies vor allem, weil sie erst bei der letzten AFG-Novellierung im Herbst vergangenen Jahres eingeführt worden waren. In §132a AFG ist genau festgelegt, welche Daten zu welchem Zweck erhoben werden dürfen. Sie müssen außerdem unverzüglich gelöscht werden, wenn sie nicht mehr benötigt werden. Diese drei Punkte fehlten bislang beim §150a, klagt Einwag.

Massive Bedenken hat der Datenschützer auch wegen einer ähnlichen Regelung zur Überprüfung von SozialhilfeempfängerInnen angemeldet. Ein Gesetzesvorschlag aus dem Familienministerium sieht vor, daß Sozialhilfeämter Daten von Sozialhilfeempfängern mit der Bundesanstalt für Arbeit und den Rentenversicherungsträgern abgleichen können, um diejenigen herauszufischen, die doppelt Leistungen beziehen. Die einzelnen Formulierungen stießen jedoch bereits im Bundesrat auf Widerspruch. „Die Vorschrift ist in mehrerlei Hinsicht mißglückt“, heißt es unmißverständlich in der Begründung für die vom Bundesrat verabschiedeten Änderungen. Vom ursprünglichen Entwurf blieb fast nichts mehr übrig. Sozialhilfeempfänger können zwar nach wie vor regelmäßig auf Leistungsmißbrauch hin überprüft werden, allerdings nur, wenn ein entsprechender Verdacht besteht. Ein Datenabgleich mit BA und den Rentenversicherungsanstalten ist auch nur dann zulässig, „wenn die Erhebung beim Betroffenen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde“. Den Austausch von Daten mit den beiden Behörden strich der Bundesrat ebenso wie die Möglichkeit, bei anderen Verwaltungsstellen Daten abzurufen. Beides sei überhaupt nicht notwendig. Eingefügt wurde auch ein Passus zum Löschen der Daten. Dorothee Winden